Extremisten ganz unterschiedlicher Ausrichtung suchen in Bayern verstärkt unter Minderjährigen nach neuen Anhängern. Der bayerische Verfassungsschutz beobachte, dass sich sowohl Links- als auch Rechtsextreme sowie Islamisten "ganz gezielt jungen Menschen zuwenden", sagte Innenminister Joachim Herrmann (CSU) bei der Vorstellung der Verfassungsschutzinformationen für das erste Halbjahr.
Junge Menschen seien häufig noch nicht gefestigt in ihren Überzeugungen und ihrem Vertrauen in die Demokratie, erläuterte der Minister. Deshalb seien sie zum Teil anfällig für extremistisches Gedankengut.
Islamismus: Radikalisierung durch Social Media
Der Präsident des Bayerischen Landesamts für Verfassungsschutz, Manfred Hauser, betonte, durch die Entwicklung der sozialen Medien bestehe die Möglichkeit, in ganz großem Maß Radikalisierungsarbeit zu leisten. Im Bereich des Islamismus sei "der Nahost-Konflikt ein extremer Brandbeschleuniger" gewesen: Es habe eine Flut an islamistischer Desinformation und Propaganda gegeben.
Laut Herrmann haben sich die sozialen Medien zum führenden Radikalisierungsfaktor entwickelt. Salafistische Akteure, Gruppierungen und Influencer nutzten alle Formate und Kanäle, um ihre Ideologie zu verbreiten, Anhänger zu gewinnen und zu Anschlägen zu animieren. Aufgrund ihrer Beinfluss- und Steuerbarkeit seien Minderjährige und junge Menschen eine attraktive Zielgruppe für ideologische Einflüsterer.
Musik spielt wieder vermehrt eine Rolle
Zudem finde Radikalisierung auch in Moscheen und im Familienkreis statt. "Hier ist insbesondere die Rolle der Frauen und Mütter im islamistischen Familienmodell von Bedeutung", sagte der Innenminister weiter. In islamistischen Frauennetzwerken werde propagiert, dass Frauen die Hauptverantwortlichen für die islamistische Grunderziehung von Kindern seien. Islamistische Influencerinnen wie zum Beispiel eine ehemalige Kick-Box-Weltmeisterin agierten in den Frauennetzwerken als "nachahmungswürdige Vorbilder".
Auffällig ist laut Herrmann, dass von allen Akteuren wieder vermehrt Musik als Mittel zur Radikalisierung genutzt werde. Dabei würden insbesondere islamistische und oft gewaltverherrlichende Sprechgesänge eingesetzt.
Rechtsextremisten verteilen Flyer an Schulen
Die rechtsextreme Identitäre Bewegung scheine sich durch Wahlerfolge der AfD ermutigt zu fühlen und trete vermehrt öffentlichkeitswirksam auf, schilderte der Minister. So verteile sie an Schulen Flyer, in denen unter anderem gegen Migranten gehetzt werde.
Anlass zu Sorge sieht Herrmann auch in Jugendorganisationen. Sogenannte Active Clubs wollten junge Menschen vor allem über Kampfsportaktivitäten für die Szene ködern. Gruppierungen der subkulturellen rechtsextremen Szene – wie zum Beispiel "Jung und stark" – wendeten sich überwiegend an Minderjährige. Hauser fügte hinzu, auch im Rechtsextremismus zeige sich, dass "durch virtuelle Kontakte entsprechende Gefahren entstehen, was wir früher so nicht gesehen haben".
Im Linksextremismus beobachtet der Verfassungsschutz dem Präsidenten zufolge ebenfalls den Versuch, über soziale Netzwerke Kinder und Jugendliche zu erreichen. "Aber nicht in diesem Maße, wie wir es im Islamismus und Rechtsextremismus sehen."
Herrmann: Prävention verstärken
Darüber hinaus stellte der Verfassungsschutz Erkenntnisse über Desinformation, Spionage- und Sabotageaktivitäten fremder Mächte vor. So habe Russland sein offensives Vorgehen gegen Demokratien in Europa deutlich verschärft.
Grundsätzlich werde es für den Einzelnen immer schwieriger, faktenbasierte Informationen von Verfälschungen der Realität zu unterscheiden, betonte Herrmann. Wichtig sei, die Prävention zu verstärken – insbesondere in der Jugendarbeit, an Schulen und an Universitäten. Das Innenministerium versorge beispielsweise Kommunen, Jugendorganisationen und auch Schulen mit Informationen, "damit hier überall entsprechend Aufklärungsarbeit geleistet werden kann."
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