Bayerns Ministerpräsident und CSU-Chef Markus Söder hat für seinen Vorschlag, allen Ukrainern das Bürgergeld zu streichen, scharfe Kritik vom Unionspartner geerntet. Der Chef des CDU-Arbeitnehmerflügels, Dennis Radtke, sagte dem "Focus" (externer Link; möglicherweise Bezahl-Inhalt), es sei fraglich, "in welchem Verhältnis eine mögliche Einsparung zum Verwaltungsaufwand steht und ob dies tatsächlich bei der Integration in den Arbeitsmarkt förderlich ist". Der CDU-Europapolitiker sprach von "breitbeinigen und marktschreierischen Forderungen".
"Arschgeweih der Politik"
Das Denken in Überschriften habe sich "leider zum Arschgeweih der deutschen Politik entwickelt. Eine Zeit lang nett, aber irgendwann ist man es einfach nur noch leid", so Radtke. "Die Menschen erwarten zu Recht von uns als Union, staatstragende und handwerklich saubere Politik, statt einfach einen herauszuhauen."
Söder hatte im ZDF-Sommerinterview am Sonntag gefordert, dass künftig alle geflüchteten Ukrainer statt Bürgergeld die geringeren Asylbewerberleistungen erhalten sollten. Der CSU-Vorsitzende geht damit weiter als die Vereinbarungen im schwarz-roten Koalitionsvertrag, wonach ab 1. April eingereiste Ukrainer kein Bürgergeld mehr erhalten.
Kanzleramtschef Frei zeigt sich offen für Söders Vorschlag
Kanzleramtschef Thorsten Frei (CDU) zeigte sich gesprächsbereit. Söder habe "recht, wenn er sagt, dass wir hier Leistungen ausbringen, wie es kein anderes Land der Erde tut", sagte Frei den Sendern RTL und ntv. Vertragliche Grundlagen könne "man einvernehmlich ändern", darüber müsse dann miteinander gesprochen werden.
Die Situation hierzulande habe "ganz erkennbar auch dazu geführt, dass die Arbeitsmarktintegration von Ukrainern in Deutschland viel schlechter funktioniert hat als in anderen Ländern", sagte Frei. Es sei "viel zu wenig, wenn nur jeder dritte erwerbsfähige Ukrainer auch tatsächlich arbeitet".
Im Juni 2022 hatte die damalige Bundesregierung (dazu gehört im normalen Prozedere auch die Zustimmung des Bundesrats, das heißt also auch von den jeweiligen Ministerpräsidenten, die im Bundesrat sitzen) knapp vier Monate nach Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine beschlossen, Schutzsuchenden aus der Ukraine nicht den Asylbewerbersatz, sondern das höhere Arbeitslosengeld ALG II (dem Vorgänger des Bürgergelds) zu gewähren. Begründet wurde dies 2022 damit, dass Ukrainerinnen und Ukrainer anders als Asylbewerber direkten Zugang zum Arbeitsmarkt hätten und das Bürgergeld als Nachfolge von ALG II eben auch von den Jobcentern verwaltet wird.
Union und SPD setzen auf Härte gegen Arbeitsverweigerer
Einig sind sich Union und SPD darin, dass angesichts der gestiegenen Bürgergeld-Ausgaben mehr Härte gegen Betrüger und Arbeitsverweigerer nötig sei. Der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, Dirk Wiese, sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND), Reformen beim Bürgergeld seien richtig. "Wer das System ausnutzt, dem muss mit klaren Sanktionen begegnet werden." Bandenmäßiger Betrug oder Schwarzarbeit dürfen nicht toleriert werden.
Viele Menschen müssten aufstocken, weil sie trotz Arbeit nicht genug verdienten. Der SPD-Politiker wertete das als deutliches Signal für einen höheren Mindestlohn und eine stärkere Tarifbindung.
"Geht um Gerechtigkeit und Fairness"
Der CDU-Bundestagsabgeordnete Tilman Kuban betonte im Gespräch mit dem RND, dass es die neue Grundsicherung nur noch für die geben könne, "die wirklich auf Hilfe angewiesen sind – nicht für die, die nicht arbeiten wollen". Millionen Menschen gingen arbeiten und bezahlten das Sozialsystem. "Beim Bürgergeld geht es in erster Linie nicht nur um Einsparungen, sondern vor allem um Gerechtigkeit und Fairness."
Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer bekräftigte im ZDF-Morgenmagazin, dass es Änderungen beim Bürgergeld geben müsse – auch für Ukrainer. Deutschland gebe knapp 47 Milliarden Euro für Bürgergeld aus. "Ich glaube, jedem erschließt sich, dass das nicht richtig sein kann. Diese Zahl muss runter."
Bürgergeld-Ausgaben auf 47 Milliarden Euro angestiegen
Der Staat hat 2024 für Menschen im Bürgergeld rund 46,9 Milliarden Euro an Hilfen gezahlt - rund vier Milliarden Euro mehr als ein Jahr zuvor, wie aus der Antwort des Bundessozialministeriums auf eine kleine Anfrage der AfD hervorgeht. Insgesamt gab es 2024 einschließlich Kindern und Jugendlichen rund 5,5 Millionen Bezieher, davon knapp 4 Millionen Erwerbsfähige – also Menschen, die grundsätzlich in der Lage sind, mindestens drei Stunden am Tag zu arbeiten.
Mit Informationen von dpa
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