Sieht keinen Anlass zur Entwarnung: Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) stellte am Montag den Verfassungsschutzbericht 2023 vor.
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Sieht keinen Anlass zur Entwarnung: Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) stellte am Montag den Verfassungsschutzbericht 2023 vor.

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Verfassungsschutzbericht: Wovor Herrmann besonders warnt

Verfassungsschutzbericht: Wovor Herrmann besonders warnt

Zwar gab es 2023 insgesamt weniger extremistische Gewalttaten, doch die zunehmende gezielte Desinformation macht dem Innenminister Sorgen. Im Zuge des Nahost-Krieges nehme besonders der Antisemitismus zu - und zwar von Extremisten jeglicher Couleur.

Über dieses Thema berichtet: BR24 im BR Fernsehen am .

Eine gute Nachricht gibt es im Verfassungsschutzbericht 2023: Insgesamt ist die Zahl der extremistischen Gewalttaten in Bayern um knapp 30 Prozent gesunken, von 271 im Jahr 2022 auf 191 im vergangenen Jahr. Das geht aus dem Bericht hervor, den Innenminister Joachim Herrmann (CSU) zusammen mit dem Präsidenten des bayerischen Verfassungsschutzes, Burkhard Körner, am Montag vorstellte.

Für den Innenminister ist der Rückgang aber kein Grund zur Entwarnung: Laut Herrmann haben Extremisten im vergangenen Jahr ihre Bemühungen im Freistaat verstärkt, um "Spaltungstendenzen in der Gesellschaft her­beizureden oder bestehende politische Diskurse mit ihren extremistischen Positionen zu infil­trie­ren".

Ein genauerer Blick auf die Zahlen zeigt: Der Rückgang der Gewalttaten hat auch mit den Reichsbürgern zu tun. Zwar zählen laut Verfassungsschutz inzwischen mehr als 5.400 Personen zu dieser Szene (ein neuer Höchststand), allerdings verübten die Reichsbürger im vergangenen Jahr deutlich weniger Gewalttaten (2022: 197 Gewalttaten/2023: 73 Gewalttaten). In anderen Extremismus-Gruppierungen gehe die Gewalt allerdings nicht zurück.

Rechtsextremismus: Mehr Gewalttaten, größere Szene

Ein Beispiel: Die Zahl der rechtsextremistisch motivierten Gewalttaten hat sich im vergangenen Jahr mehr als verdoppelt (2022: 23 Gewalttaten/2023: 52 Gewalttaten). Ein Großteil davon: Körperverletzungen. Während die Gewalt mehr geworden ist, gingen rechtsextremistische Straftaten insgesamt allerdings um fast 40 Prozent zurück. Es gab deutlich weniger sogenannte "Propagandadelikte", wozu unter anderem das Sprühen von Hakenkreuzen zählt.

Der Verfassungsschutz rechnet der rechtsextremen Szene aktuell mehr als 2.700 Personen zu - circa fünf Prozent mehr als noch im Vorjahr. "Das ist im Wesentlichen auf eine deutliche Steigerung der Mitglieder der Jungen Alternative auf nunmehr nach eigenen Angaben 350 Personen zurückzuführen", sagte Herrmann. Die Junge Alternative ist die Jugendorganisation der AfD.

AfD sieht Instrumentalisierung des Verfassungsschutzes

Seit 2022 beobachtet Bayerns Verfassungsschutz die AfD auch als Gesamtpartei. Dagegen wehrt sich die Partei juristisch. Laut Herrmann hat die bisherige Beobachtung bestätigt, dass "verfassungsfeindliche Tendenzen bestehen und sich weiter ausbreiten". Die Vernetzung der AfD in das "extremistische Vorfeld" habe im vergangenen Jahr qualitativ und quantitativ zugenommen.

Der innenpolitische Sprecher der AfD, Richard Graupner, warf der Staatsregierung in einer Mitteilung vor, "den Verfassungsschutz zum Kampf gegen die AfD" zu instrumentalisieren. "Der Islamismus stellt die größte Gefahr für die innere Sicherheit in Bayern dar", so Graupner.

Herrmann: Antisemitismus nimmt "in dramatischem Umfang" zu

Dem Innenminister bereitet besonders der zunehmende Hass gegen Jüdinnen und Juden Sorgen: "In nahezu allen extremistischen Szenen erhebt der Antisemitismus in vielgestaltiger Form und mit unterschiedlicher Argumentation erneut sein hässliches Haupt", sagte Herrmann. Antisemitische Hetze und Übergriffe hätten "in dramatischem Umfang zugenommen".

Insbesondere islamistische Gruppierungen nutzten den Krieg im Nahen Osten für ihre israelfeindlichen Positionen. Aber auch der Antisemitismus von Rechts- und Linksextremen nehme zu. Akteure aus unterschiedlichsten, größtenteils verfeindeten Spektren bewiesen "große Einigkeit im Hass auf Israel und jüdische Mitmenschen", so Herrmann. Mit Blick auf pro-palästinensische Demonstrationen sagte er: "Stets versuchen Extremisten, sich unter die Menschen zu mischen, um unter diesem Vorwand ihre eigen extremistische Agenda voranzubringen." Demokraten dürften den Extremisten dieses "zynische Spiel" nicht durchgehen lassen.

Linksextremismus: Kleine, aber gewalttätige Gruppen

Auch linksextremistische Gewalttaten nahmen im vergangenen Jahr zu (2022: 42 Gewalttaten/2023: 49 Gewalttaten). Hier hätten sich laut Körner kleine, heimlich agierende Gruppen entwickelt, "die äußerst gewalttätig seien. "Wir hatten in Bayern jetzt über 20 Brandanschläge allein in München, auf entsprechende Bagger und Sendemasten, also auf alles was Infrastruktur ist", so Körner.

Die linksextreme Szene in Bayern bleibt laut Bericht ungefähr gleich groß und umfasst etwa 3.200 Personen.

Herrmann zu Desinformation: "Müssen schneller werden"

Laut den Verfassungsschützern spielen Desinformationskampagnen eine immer größere Rolle. Beim Nahost-Konflikt "ist es so, dass bestimmte Player zum Beispiel aus dem Bereich des Ausländerextremismus oder aus dem Islamismus versuchen, hier innerhalb der Community zu mobilisieren", sagte Körner, "bis hin zu dem Risiko, dass eben eine Mobilisierung auch zu Anschlägen erfolgt“.

Fake News würden benutzt, um Menschen zu instrumentalisieren, die Gesellschaft zu spalten und die Demokratie zu schwächen, sagte Herrmann: "Es ist schon ein enorm schwieriges Spiel. Lügen in die Welt setzen kann jeder, wenn er das anonym in Facebook, Instagram, TikTok tut." Diese Desinformationen zu entlarven, sei weit aufwendiger und langwieriger. Und weiter: "Wir müssen hier schneller werden."

Fake News: Grüne sehen Versäumnisse bei Söder-Regierung

Die Fraktionschefin der Grünen im Landtag, Katharina Schulze, sagte: "Die Söder-Regierung hat bei der Bekämpfung von Fake News und Desinformation in den letzten Jahren geschlafen." Anregungen, wie zum Beispiel mehr Geld für Forschungsprojekte, seien konsequent abgelehnt worden. Dabei sei es wichtig, zu verstehen: "Wie funktionieren diese Desinformationskampagnen? Wer steckt dahinter?" Der Blick in andere Länder wie den USA bereite ihr Sorgen, so Schulze. Sie wolle nicht dorthin kommen, "wo ein Teil der Gesellschaft in seiner eigenen Bubbel lebt und nur noch Fake News und Desinformationen als wahr erachtet".

Auch in der Staatsregierung sieht man offenbar Handlungsbedarf: Laut Präsident Körner wird der bayerische Verfassungsschutz in den nächsten zwei Jahren 40 zusätzliche Mitarbeiter bekommen, die sich vor allem mit Spionage und Desinformationen im Internet beschäftigen sollen.

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