Niederländische Soldaten springen aus einem Radpanzer. Sie erobern "Schnöggersburg" im Rahmen eines derzeit laufenden Großmanövers von "roten" Feindkräften zurück.
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Niederländische Soldaten springen aus einem Radpanzer.

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Verteidigung: Eine Blaupause für europäische Zusammenarbeit?

Verteidigung: Eine Blaupause für europäische Zusammenarbeit?

Die niederländischen Landstreitkräfte sind seit zwei Jahren ins deutsche Heer integriert. Ein wichtiger Verband untersteht der 10. Panzerdivision, die von Bayern aus befehligt wird. Taugt das als Vorbild für mehr europäische Zusammenarbeit?

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Eine Gruppe Soldaten ist hinter einer Hauswand in Deckung gegangen. Ein Maschinengewehrschütze liegt auf dem Boden – bereit zu feuern, falls sich ein Gegner nähern sollte. Dann rennen die Soldaten los. Über ihnen schwirrt eine Drohne. Es sind Szenen eines Rückzugs während eines Großmanövers mit rund 3.500 Soldatinnen und Soldaten. Die Männer sind "Feinddarsteller". Sie tragen rote Abzeichen. Ein paar Straßen weiter rollen Radpanzer an. Soldaten mit niederländischen Hoheitsabzeichen am Ärmel springen heraus.

Die Niederländer schlüpfen im Manöver als Nato-Truppen in ihre angestammte Rolle. Sie sollen die Ortschaft zurückerobern, die die "roten" Feinddarsteller zuvor überfallen haben. Von zwei Seiten rückten die Niederländer vor, erläutert Major Nils. Der niederländische Offizier hat einen Stoppelbart. Grün-braune Tarnschminke klebt in seinem Gesicht.

Dass er und seine Kameradinnen und Kameraden hier üben, ist das Ergebnis einer sehr engen militärischen Zusammenarbeit zwischen Deutschland und den Niederlanden. Seit zwei Jahren sind die Landstreitkräfte der Niederlande nahezu komplett integriert ins deutsche Heer. "Alleine schaffen wir es nicht. Wir brauchen uns gegenseitig", sagt Major Nils: "Umso mehr wir unsere Streitkräfte verzahnen, umso stärker werden wir."

Niederländer unterstehen deutscher Division

Das Gespräch mit dem Major – es ist einer Zufallsbegegnung geschuldet. Man könne ihn aber getrost als einen "Botschafter für Zusammenarbeit" bezeichnen, lacht er. Schließlich passt seine Biografie zur Entwicklung der vergangenen Jahre. Als Soldatensohn verbrachte er Teile seiner Kindheit in Deutschland. Jetzt dient Nils als Offizier in der niederländischen 13. Leichten Brigade. Die Brigade ist seit zwei Jahren der 10. Panzerdivision der Bundeswehr unterstellt, die aus Bayern befehligt wird und aktuell so etwas ist, wie ein Stützpfeiler des deutschen Nato-Beitrages. Mehr als 20.000 Soldatinnen und Soldaten gehören dazu, inklusive der Niederländer. Seit der Unterstellung seien seine Kommandeure besser geworden, sagt der niederländische Brigadegeneral Gert-Jan Kooij. Übungen mit großen Verbänden machten einen entscheidenden Unterschied. Klar ist: Sollte es zu Spannungen an den Grenzen zum Baltikum kommen, Deutsche und Niederländer der 10. Panzerdivision würden wohl gemeinsam nach Litauen verlegt werden.

Kooij, der die niederländischen Truppen im Manöver befehligt, steht vor seinem Radpanzer, der sich unter einem Tarnnetz verbirgt. Die Bundeswehr nutzt das gleiche Modell vom Typ Boxer. "Wir üben schon, dass unsere Mechaniker auf einem deutschen Fahrzeug eingesetzt werden und andersherum", sagt der General.

Fachkreise: Potenzial für Verzahnung

Was für den Boxer gelten mag, gilt laut Fachkreisen zwar längst nicht für jedes Fahrzeug oder Waffensystem, die Kenntnis des Materials der Partner gilt aber als Vorteil der engen Kooperation. Experten sehen so etwas als Blaupause und zugleich beim Material Potenzial für viel mehr Verzahnung der europäischen Armeen. Diese nutzen eine Vielzahl verschiedener Fahrzeuge und Waffensysteme – oft aus nationalem Interesse. Die Anzahl der Typen zu reduzieren, könnte demnach zu mehr Austauschbarkeit und besserer Einsatzbereitschaft führen.

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Brigadegeneral David Markus, Kommandeur der Panzergrenadierbrigade 37, zu der auch das Panzerartilleriebataillon 375 in Weiden gehört.

Aus der Ferne sind unterdessen Explosionen zu hören. Rauch steigt auf über der Ortschaft namens "Schnöggersburg", wo die Niederländer kämpfen. Sie wurde extra errichtet für Manöver, es gibt sogar einen U-Bahn-Tunnel. Schnöggersburg liegt im Gefechtsübungszentrum des Heeres, einem der bedeutendsten Ausbildungszentren der Bundeswehr rund 50 Kilometer östlich von Wolfsburg. Geschossen wird mit Platzpatronen. Über Laser an den Waffen und Sensoren an Fahrzeugen und Körpern lassen sich Treffer simulieren.

Üben "genau richtig"

Irgendwo zwischen Wäldern und Steppen, die Schnöggersburg umgeben, kämpfen unterdessen deutsche Panzergrenadiere. Auch sie sind im Szenario Nato-Kräfte und ebenso "blau" wie die Niederländer. Tatsächlich stammen sie aus deren Schwesterbrigade, stehen unter dem Kommando von Brigadegeneral David Markus. Hier zu üben sei "genau richtig", sagt er, um die Zusammenarbeit zu verbessern. Markus stellt Fortschritte fest, räumt aber ein, dass es auch den "ein oder anderen Punkt" gebe, wo es zunächst noch nicht so gut lief. Zum Beispiel bei der Abstimmung, wer sich auf dem Gefechtsfeld wo bewegt.

Koordination bleibt Herausforderung

Die Koordination zwischen Natro-Armeen ist und bleibt eine immerwährende Herausforderung – selbst für Deutsche und Niederländer. In der Verteidigungsplanung des Bündnisses sind sie für einen Einsatz nah beieinander vorgesehen. Und die Panzergrenadierbrigade 37 unter der Führung von David Markus ist aktuell in Bereitschaft, um im Bedarfsfall in Litauen zu verstärken – um mit rund 6.000 Männern und Frauen zu verlegen. Etwa zur Abschreckung, falls Russland Truppen in Richtung Baltikum in Marsch setzen sollte.

Wie ernst selbst das Übungsgeschehen ist, zeigte sich Mitte der Woche: Ein niederländischer Soldat kam laut offiziellen Angaben im Zuge eines Unfalls ums Leben. Der Todesfall überschattete die Übung.

Im Video: Deutsch-niederländische Militärkooperation

Die militärische Zusammenarbeit innerhalb der EU soll gestäkr werden. Einige konkrete Projekte laufen schon, etwa mit den Niederländern.
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Die militärische Zusammenarbeit innerhalb der EU soll gestäkr werden. Einige konkrete Projekte laufen schon, etwa mit den Niederländern.

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