Münchner Oktoberfest: Hinrichtung im Variete-Theater "Auf geht's beim Schichtl" auf der Wiesn
Münchner Oktoberfest: Hinrichtung im Variete-Theater "Auf geht's beim Schichtl" auf der Wiesn
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Er hinterlässt eine große Lücke: Wiesn-Henker Ringo Praetorius ist gestorben.
Bildrechte: picture alliance / SZ Photo | Stephan Rumpf
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Er hinterlässt eine große Lücke: Wiesn-Henker Ringo Praetorius ist gestorben.

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"War stabiler Faktor": Schichtl ohne Henker - wie geht's weiter?

"War stabiler Faktor": Schichtl ohne Henker - wie geht's weiter?

Er brachte die Herzen vieler Wiesn-Besucher "zum Hupfen": Als Henker beim Schichtl hat Ringo Praetorius rund 40 Jahre lang mehr oder weniger freiwillige Zuschauer auf der Bühne schein-exekutiert. Nun ist er verstorben. Wer folgt auf die Legende?

Über dieses Thema berichtet: Abendschau - Der Süden am .

"Wir sind um ein Original ärmer", seufzt Manfred Schauer. Der Inhaber des legendären Traditionstheaters "Auf geht's beim Schichtl" auf dem Münchner Oktoberfest hat seinen guten Freund verloren. Hjalmar Ringo Praetorius war zweifelsohne eine Kultfigur. Das käsige Gesicht, der markante Schnurrbart und der Zylinder, ebenso schwarz wie sein Humor: Viele kannten und fürchteten Praetorius als "Wiesn-Henker vom Schichtl".

Das mehr als 150 Jahre alte Theater ist nach seinem damaligen Begründer Michael August Schichtl benannt. Vor jeder Schau wird für das Spektakel der "Enthauptung einer lebenden Person auf offener, hell erleuchteter Bühne mittels Guillotine" geworben: "Auf geht's beim Schichtl", heißt es dann.

Mehr als 15.000 Enthauptungen - doch der Kopf blieb immer dran

Schon im vergangenen Jahr konnte Praetorius aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr an den Aufführungen teilnehmen. Am Dienstag ist er im Alter von 82 Jahren verstorben. Fragt man Schauer, an welche Momente mit seinem Freund er sich besonders gerne zurückerinnere, kommt prompt die Antwort: "So viel Zeit haben Sie gar nicht, dass ich Ihnen das alles erzähle."

Mehr als 15.000 Besucherinnen und Besucher habe der Wiesn-Henker auf der Bühne zum Schafott geführt, oft mit dem süffisanten Ratschlag: "Kopf hoch, dann stirbt sich's leichter". Und doch standen alle sogenannten Delinquenten nach der Show wieder auf - mitsamt ihres Kopfes.

"Er war der stabile Faktor"

Praetorius sei der "stabile Faktor" einer jeden Aufführung gewesen, erklärt Schauer. Das Zusammenspiel zwischen ihm selbst und dem Henker habe gerade deshalb so gut funktioniert, weil die beiden so unterschiedliche Charaktere seien. Er selbst, der Geschäftsführer, Gastronom und Kaufmann, der das Traditionstheater im Februar 1985 kaufte, ohne Ahnung vom Schausteller-Dasein zu haben. Und Praetorius, der leichtfüßige Künstler, der mit seinen Sprüchen immer auf dem schmalen Grat zwischen Frechheit und Unverschämtheit tänzelte.

Münchens früherer Oberbürgermeister Christian Ude habe einmal gesagt "Der Schichtl hod an Derf-Schein", erinnert sich Schauer. Mit anderen Worten: Einen Freifahrtschein für allerlei scharfzüngige Sticheleien und unverblümte Bemerkungen. Dafür habe der Henker allerdings auch jeden Witz auf eigene Kosten wegstecken können, "mit unverzagter Miene". "Ich habe ihn zum Beispiel oft angekündigt mit den Worten: 'So schaut Gammelfleisch aus, wenn's noch lebt'", lacht Schauer.

Dutzende Vorstellungen am Tag: Trotzdem keine Routine

Dabei konnte sich der Untergiesinger ursprünglich gar nicht vorstellen, auf dem Oktoberfest zu arbeiten. Damals, kurz nach dem Kauf des Theaters, war Schauer auf der Suche nach einem Mitarbeiter. Nach einem, der "verrückt genug" für den Job ist. Von einem Bekannten sei ihm Praetorius empfohlen worden, der damals an der Schenke der Gaststätte "Atzinger" arbeitete. Der habe erst gezögert, dann aber beschlossen: "Das ist so schräg, das probieren wir".

Wichtig dabei: Trotz der rund 20 Vorstellungen, die es an jedem Wiesn-Tag gibt, darf der Job nie zur Routine werden. "Routine langweilt die Zuschauer", erklärt Schauer. Es gehe darum, das Publikum jedes Mal zu beobachten und individuell auf Besonderheiten einzugehen. "Dafür braucht es Herzblut".

Wie geht es beim Schichtl weiter?

Der Henker ist tot. Wer soll nun einem zufällig ausgewählten Zuschauer "die Rübe vom Rumpf trennen", damit er das Bier danach "direkt in den Hals schütten kann" - wie es beim Schichtl heißt? "Es gibt ja nicht nur den Henker, wir sind an die zehn bis elf Leute bei der Show", sagt Schauer. Und es gebe einen Henkersknecht, der im vergangenen Jahr schon für Praetorius eingesprungen sei. Martin Kollmann steigt nun also zum Henker beim Schichtl auf.

Im Audio: Der Henker vom Schichtl ist tot

Aufführung beim Schichtl.
Bildrechte: BR/Ralf Wilschewski
Audiobeitrag

Auf geht's zur Hinrichtung beim "Schichtl".

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