Boris Palmer (parteilos) ist dafür bekannt, sich in bundespolitische Debatten einzumischen und mit seinen Positionen immer wieder anzuecken. Vor wenigen Tagen forderte der Tübinger Oberbürgermeister eine Regierungsbeteiligung der AfD in Thüringen, wobei die CDU dort laut Palmer den Ministerpräsidenten und den Innenminister stellen sollte.
OB Palmer zu Merz: "Ich weiß nicht, ob er’s kann"
Am BR Sonntags-Stammtisch wandte sich Palmer nun mit Blick auf die Bundestagswahl in zweieinhalb Monaten an die Wähler der AfD: "Die AfD-Wähler sollten jetzt einmal sagen: 'Jetzt kriegt der Merz die letzte Chance. Er ist sicher nicht die Merkel. Jetzt geben wir ihm 45 %, er soll eine absolute Mehrheit haben.‘“ Trotzdem bezeichnete Palmer einen möglichen Bundeskanzler Friedrich Merz als "Risiko". "Ich weiß nicht, ob er’s kann“, sagte er. Von Olaf Scholz als Kanzler habe er auch im Vorfeld mehr erwartet.
Der Tübinger Oberbürgermeister wünschte sich von der neuen Bundesregierung eine klare Linie. Seine Sorge sei, dass dies schiefgehe und wieder drei Parteien miteinander regieren müssten, was nicht funktioniere.
Den Willen in der Bevölkerung nach mehr Entscheidungskraft der Bundesregierung bestätigte auch Politikwissenschaftlerin Ursula Münch. Diesen Wunsch sieht sie aber im Widerspruch zur hohen Zustimmung für AfD und BSW in Ostdeutschland. "Ich bin auch gespannt, ob die Leute dann sagen werden: 'Dieses Mal überlegen wir uns, ob wir nicht wirklich vielleicht stärker die Volksparteien wählen.“
Pfarrer Schießler wünschte sich Versöhnung in der Flüchtlingspolitik
Der Münchner Pfarrer Rainer Maria Schießler forderte mit Blick auf die Bundestagswahl eine Abkehr von extremen Positionen, die die Menschen nicht mehr haben wollten. Als ein Beispiel dafür nannte Schießler die Flüchtlingspolitik: "Ich möchte eine Versöhnung zwischen beiden Positionen. Hier Menschlichkeit, hier notwendige Steuerung. Ich kann mir nicht erklären, warum das nicht miteinander zusammengehen soll.“ Es sei immer die Rede davon, dass man Fluchtursachen bekämpfen müsse. Das sei aber nicht der Fall, kritisierte der Pfarrer.
Tübinger OB: "Die Wirtschaft schmiert dermaßen ab.“
Die Migration werde bei der Bundestagswahl nicht das entscheidende Thema sein, prognostizierte Palmer: "Das wird nicht mehr eine Flüchtlingswahl, sondern eine Wirtschaftswahl. Die Wirtschaft schmiert dermaßen ab. Die Deindustrialisierung läuft.“
Widerspruch zu Palmers Einschätzung, welche Themen die Wahl entscheiden, kam von Verkehrswissenschaftler Klaus Bogenberger. "Ich teile das nicht, dass das im Wahlkampf keine Rolle spielt.“ Angesichts des Regimewechsels in Syrien könnte es zu neuen Fluchtbewegungen kommen. "Dann kann das in zwei Monaten direkt vor der Wahl noch mal ein Riesenthema werden“, meinte Bogenberger.
Palmer forderte Agenda 2030 für die deutsche Wirtschaft
Vor dem Hintergrund der angespannten wirtschaftlichen Lage in Deutschland forderte Palmer eine Agenda 2030 für die deutsche Wirtschaft. "Wir brauchen so etwas, was der Schröder damals gemacht hat. Wir müssen den Staat wieder auf Vordermann bringen.“ Als konkrete Maßnahmen nannte Palmer weniger Vorschriften für die Wirtschaft und einen Arbeitsmarkt, auf dem sich Arbeit lohne. In diesem Zusammenhang kritisierte der Tübinger Oberbürgermeister die Höhe des Bürgergelds.
Palmer stellte Wirtschaftskompetenz der Grünen in Frage
Von einer neuen Bundesregierung erhoffte sich Palmer mehr Wirtschaftskompetenz. Die stellte er bei seiner früheren Partei, den Grünen, infrage: "Ehrlicherweise, wenn Sie sich angucken, was die letzten drei Jahre passiert ist, dann würde ich meiner Partei noch nicht zugestehen, dass sie herausragende Wirtschaftsreformen angestoßen hat.“
Trotz seiner Sympathien für einen möglichen Bundeskanzler Merz hoffte Palmer, dass die Grünen weiterhin in der Bundesregierung beteiligt sind, um als Klimaschutzpartei weitermachen zu können. Es dürfe nicht Schluss mit Windkraft, Solarenergie und Heizungsmodernisierung sein. "Das tut auch der Wirtschaft nicht gut, dieses Zick Zack.“
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