Rekrutinnen und Rekruten stehen beim öffentlichen Gelöbnis
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Rekrutinnen und Rekruten stehen beim öffentlichen Gelöbnis
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Wehrpflicht-Debatte: Wie steht es um die bayerischen Kasernen?

Wehrpflicht-Debatte: Wie steht es um die bayerischen Kasernen?

Deutschland diskutiert über die Wehrpflicht. Als Nadelöhr bei einer Wiedereinsetzung gilt dabei die Infrastruktur. Viele Kasernen wurden geschlossen. Der Bau- und Sanierungsbedarf ist groß.

Über dieses Thema berichtet: Abendschau am .

Vögel zwitschern in den Bäumen, zwischen den Pflastersteinen sprießen Walderdbeeren. Die Natur erobert einen Ort, an dem vor zehn Jahren noch Soldaten angetreten sind. Wir sind zu Besuch in der ehemaligen Artilleriekaserne in Kempten und verabredet mit Männern, die hier gedient haben.

Um 7.20 Uhr sei in der Regel Dienstbeginn gewesen, erinnert sich Robert Schmidt, Hauptmann außer Dienst: "Der Parkplatz war voll, es war etwas los in dieser Kaserne". Dann aber musste Kurt Rasch die Auflösung verkünden. Rasch war der letzte Kasernenkommandant. Für den Oberstleutnant außer Dienst war es "die bitterste Situation" in seinem militärischen Leben. Die Erinnerung daran kommt immer wieder hoch, wenn er heute die Kaserne betritt. "Es ist schlimm, wenn man sich vor die Truppe stellen und die Entscheidung vorlesen muss, dass es mit dem geliebten Regiment vorbei ist", erinnert sich Rasch.

"Extrem einschneidendes Ereignis"

Bis 2016 war das Gebirgssanitätsregiment 42 in Kempten stationiert. In der Stadt gab es aber noch andere Einrichtungen der Bundeswehr. Heute sind sie Geschichte. Für die Stadt sei deren Auflösung "ein extrem einschneidendes Ereignis" gewesen, erklärt ein Sprecher. So etwas könne nicht kompensiert werden. Hunderte Familien waren betroffen.

Kempten kein Einzelfall

Kempten steht damit stellvertretend für zahlreiche Kommunen in ganz Deutschland. Fast 60 Kasernen wurden seit 2010 bundesweit geschlossen. Mehr als zehn allein in Bayern, zum Beispiel auch in Amberg oder Penzing. Hintergrund waren die Ausrichtung der Bundeswehr auf Auslandseinsätze, der Spardruck und die Aussetzung der Wehrpflicht.

In den Augen des neuen Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages ist die Infrastruktur der Bundeswehr heute eine Großbaustelle – nicht zuletzt, weil die Truppe wachsen soll. Henning Otte, CDU, berichtet im BR-Interview, die Truppe beklage einen Mangel an Unterkünften. Otte fordert, dass das Verteidigungsministerium hier einen Schwerpunkt setzt. Er prognostiziert ein "Mammutprogramm" und fordert Tempo ein.

Wohin mit etwaigen Rekruten?

Kommt ein neuer Wehrdienst, so will das Verteidigungsministerium die jungen Männer und Frauen zunächst auf bestehende Bundeswehrstandorte verteilen. Da könnten vor allem jene infrage kommen, an denen schon jetzt Rekruten ausgebildet werden – also etwa in der Oberpfalz oder in Oberbayern – spekulieren Bundeswehrkreise. Entschieden ist bisher aber nichts. Die politische Festlegung steht aus.

Wenn es schnell gehen muss, mit zusätzlicher Infrastruktur, könnten an den Standorten zusätzliche Containerunterkünfte externer Dienstleister bereitgestellt werden, heißt es aus dem Verteidigungsministerium auf Anfrage. Aufgelöst werden sollen aktuell keine größeren Standorte mehr.

Können Kasernen reaktiviert werden?

In Kempten bedauert Kurt Rasch die Schließung vor dem Hintergrund der aktuellen Debatte doppelt: "Wir haben die Entscheidung zu akzeptieren, aber es tut weh." Militärisch hätte man noch viel anfangen können mit der Artilleriekaserne, sagt der ehemalige stellvertretende Regimentskommandeur und Kasernenkommandant. Er und seine Kameraden wollen die Erinnerung an den Standort durch einen Traditionsverein wachhalten.

In Einzelfällen will das Verteidigungsministerium bei Bedarf Wiederinbetriebnahmen von Kasernen prüfen. In Kempten dürfte das sehr unwahrscheinlich sein. Die Kaserne soll ein Behördenzentrum werden, für Zoll, THW und Landespolizei. Die Bundespolizei ist schon eingezogen. Im Bau ist auch eine Flüchtlingsunterkunft.

67 Milliarden Euro nötig

Unabhängig von einem etwaigen neuen Wehrdienst oder gar einer Wiedereinsetzung der Wehrpflicht ist der Bau- und Sanierungsbedarf an deutschen Standorten groß. Zum einen sind da die Unterkünfte, zum anderen aber auch Hallen oder Werkstätten für neues Großgerät.

Das Verteidigungsministerium hat 2024 erstmals einen Infrastrukturbericht vorgelegt. Dort ist zu lesen, dass sich der Gesamtinvestitionsbedarf für militärische Infrastruktur bis in die 2040er Jahre auf mehr als 67 Milliarden Euro belaufen wird.

Otte: "Bayerisches Modell ist Blaupause"

Henning Otte lobt vor diesem Hintergrund den Vorstoß der bayerischen Staatsregierung. Die hatte angesichts der Sicherheitslage im vergangenen Jahr ein Gesetz auf den Weg gebracht, das Bauvorhaben der Bundeswehr beschleunigen soll. Bauen ist Ländersache. Henning Otte: "Das bayerische Modell gibt gute Handlungsanweisungen, die es für die gesamte Bundesrepublik zu prüfen gilt. Meines Erachtens ist das eine Blaupause, die viele gute Ansätze bringt, um die militärische Infrastruktur vorrangig zu bedienen."

Sie wollen mehr über die Wehrpflicht wissen? Dann hören Sie rein in die Wehrpflicht-Staffel unseres Podcasts "Die Entscheidung"! Die gibt es zum Beispiel in der ARD-Audiothek.

Zum Video: Deutschland diskutiert über die Wehrpflicht

Gelände einer ehemaligen Kaserne in Kempten
Bildrechte: BR
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Wohin mit möglichen neuen Wehrpflichtigen?

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