Um kurz vor sechs beginnt für Katharina Hotz der Tag. Die zweifache Mutter steht bereits im Schlafanzug in der Küche und schmiert Brote für die ganze Familie. Und während Kinder und Ehemann auf dem Weg zur Schule und Arbeit sind, loggt sie sich schon einmal vom zum Home-Office umfunktionierten Küchentisch aus bei der Arbeit ein. Kurz darauf meldet sich Familienhund Johnny – Zeit für die Gassi-Runde.
Haushalt in Deutschland oft Frauensache
So, oder so ähnlich sieht der Alltag für viele Frauen in Deutschland aus. Laut Statistischem Bundesamt sind die nämlich hauptsächlich für Familie und Haushalt zuständig. Katharina Hotz trägt in ihren Terminkalender im Handy nur ein, was über diese Routine hinausgeht. Heute ist das einiges, denn die 45-Jährige ist ehrenamtliche Kommunalpolitikerin in Mömlingen im Landkreis Miltenberg. Sie sitzt dort im Gemeinderat und vertritt als dritte Bürgermeisterin den Bürgermeister bei wichtigen Terminen. Heute bedeutet das: nach ihrem Vollzeitjob geht es direkt weiter zum nächsten Punkt auf der Tagesordnung – einer von vier.
Frauenanteil in Bayerns Politik niedrig
In Bayerns Gemeinderäten sitzen laut Staatsministerium für Familie, Arbeit und Soziales nur knapp 22 Prozent Frauen. In drei von insgesamt 25 kreisfreien Städten steht eine Oberbürgermeisterin an der Spitze. Im Ehrenamt sieht die Zahl noch schlechter aus: 97 ehrenamtliche erste Bürgermeisterinnen in 2029 kreisangehörigen Gemeinden.
Kommunalpolitik braucht dringend Nachwuchs
Als dritte Bürgermeisterin merkt auch Katharina Hotz, dass es in der Kommunalpolitik an Nachwuchs mangelt. Immer weniger Menschen wollen sich für die Kommunalpolitik zur Verfügung stellen. Sie versucht daher bereits jetzt, junge Menschen in ihrem Ort dafür zu begeistern, sich im nächsten Jahr zur Wahl stellen zu lassen. "Ich sag dann immer: Man kann nur was verändern, wenn man mitmacht. Straßen, Infrastruktur, das sind ja alles Sachen für die Zukunft, die ich ja auch für die Kinder mache."
Mehr weibliche Vorbilder in der Politik
Kommunalpolitik ist oft ehrenamtlich. Die Entschädigung für den Aufwand gering. Hinzu kommen ein oft rauer Umgangston und Schwierigkeiten bei der Vereinbarkeit mit Familie und Arbeit. Ein Problem, dem sich die parteiübergreifende Initiative "Bavaria ruft" annehmen will. "Es ist auch oft das persönliche Zutrauen. Kann ich das? Wie geht denn das?", erklärt Kathrin Alte. Sie ist Bürgermeisterin in Anzing bei München und eine der Initiatorinnen von "Bavaria ruft!". Außerdem fehle es oft an Vorbildern.
Diesen Eindruck bestätigt auch Katharina Hotz. "Frauen akquirieren viel lieber auch Frauen. Also das Problem ist, dass es einfach zu viele Männer gibt, die dann in ihrem Gebiet fischen und Frauen da oft gar nicht bedacht werden."
Zeitaufwendiges Ehrenamt
Hinzu kommt der Zeitaufwand, der mit dem Ehrenamt verbunden ist. Katharina Hotz ist um 16 Uhr fertig mit der Arbeit, aber an Feierabend ist noch nicht zu denken. Der nächste Termin, der im Handy steht, ist ein Besuch im Seniorenheim. Hier vertritt sie den Bürgermeister bei der Geschenkübergabe an einen Jubilar. Im Anschluss fährt sie direkt weiter ins Rathaus. Eine ihrer Lieblingsaufgaben steht an. Als dritte Bürgermeisterin ist sie ehrenamtliche Standesbeamtin in ihrer Gemeinde. Heute führt sie das Traugespräch mit einem jungen Paar. Danach noch Fraktionssitzung und Gemeinderatssitzung um 19 Uhr. Am Ende eines solchen Tages freut sich Katharina Hotz am meisten "auf was zu essen und meine Couch!"
"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!
Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.