Diese Lebensgeschichte erinnert ein wenig an die Handlung eines Spielfilms. Ein junger Mann schließt zunächst eine Ausbildung ab, doch wird als Versicherungsverkäufer nicht glücklich. Also besinnt er sich auf das, was er schon seit der Jugend gerne macht – fotografieren und filmen. Er will als "Kamerakorrespondent" für den Bayerischen Rundfunk arbeiten. Aber die Technik, die er dafür braucht, ist Mitte der 60er-Jahre noch teuer. "Die TV-Kamera von Bosch hatte damals 100.000 Mark gekostet. Ich wusste gar nicht, ob ich das Geld durch genug Aufträge wieder hereinbekomme", sagt Werner Flott.
Werner Flott: Unterwegs als rasender Reporter
Doch sein erster Bericht kommt in der Redaktion gut an, bald arbeitet er neben dem BR auch für den Vorläufer des heutigen SWR in Baden-Württemberg. Er trifft Bundeskanzler und Bundespräsidenten, berichtet über Militärflugplätze und das neue Kernkraftwerk Gundremmingen. Flott filmt nicht nur, sondern textet und "schneidet" seine Beiträge selbst. Das ist wörtlich zu nehmen, denn die 16-Millimeterbänder musste er an der gewünschten Stelle zertrennen und dann wieder zusammenkleben.
Flott ist Videojournalist, Jahrzehnte bevor es diesen Beruf überhaupt gibt. Aber er hat noch einen anderen Traum, will sein eigenes Kino besitzen. Anfang der 80er-Jahre steht in Offingen im schwäbischen Landkreis Günzburg eines zum Verkauf.
Wagnis eigenes Kino
"Die Technik war in einem schlechten Zustand. Das Bild war schummrig, man hatte sogar durch ein Spinnennetz hindurch projiziert", sagt Flott. Er erwirbt das Kino trotzdem und saniert es. Weil er weiterhin als Reporter arbeitet, kümmert sich seine Frau in erster Linie um das Kino, das einige Tage in der Woche geöffnet hat.
Doch das Zuschauerinteresse bleibt hinter den Erwartungen zurück und so überlegt Flott, ob er Ende der Nullerjahre das Kino nicht besser schließen sollte. Seine Tochter und der Schwiegersohn möchten es allerdings weiterführen. "Es liefen Wetten, dass wir kein halbes Jahr überleben und dann Schiffbruch erleiden", sagt Georg Albrecht, der mit seiner Frau Nadja inzwischen die Leitung übernommen hat.
Nostalgisches Ambiente
Der Kinosaal ist in dunkles Rot gekleidet. Zwischen den Sitzen, die sich sogar in eine Liegeposition bringen lassen, stehen kleine Tischlampen. Auch Albrecht musste investieren. Denn zu Beginn der Zehnerjahre wurden die analogen Filmrollen durch digitale Technik ersetzt. Das hat aber auch Vorteile – gerade kleinere Kinos auf dem Land müssen jetzt nicht mehr so lange wie früher auf eine Kopie warten, deren Bildqualität durch viele Vorführungen oft schon litt.
Neben Mainstream-Filmen setzt das Kino heutzutage auch auf anspruchsvolle Nischenproduktionen. Es ist die Mischung, die beim Publikum gut ankommt. Die Zuschauerzahlen sind deutlich gestiegen, die Donau-Lichtspiele sind inzwischen an allen Wochentagen geöffnet. "Wir haben zudem Filmabende vom Frauenbund oder Kooperationen mit der Volkshochschule und schaffen es, zu unterschiedlichen Anlässen Menschen zu mobilisieren", sagt Albrecht.
Flott plant schon nächstes Projekt
Werner Flott weist zwei Jugendlichen den Weg zu ihren Sitzen. Wenn er im Saal sei, fühle er sich sofort wieder für sein ehemaliges Kino zuständig, sagt er und lächelt. Hin und wieder laufen zu besonderen Anlässen auch Filme von Werner Flott, er selbst arbeitet schon am nächsten. Wenn Ende Oktober die Kühltürme des ehemaligen Kernkraftwerks Gundremmingen hollywoodreif gesprengt werden, dann wird der 89-Jährige mit seiner Kamera dabei sein.
Werner Flott an seinem alten Schnitttisch: Früher musste er die Bänder an der gewünschten Stelle zertrennen und dann wieder zusammenkleben.
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