Der harte Kern sind 40 bis 50 obdachlose Menschen, die jedem Tag im Nürnberger Bahnhof unterwegs sind. Das sagt Michelle Jaß. Sie und ihre Kollegin Annika Zitzmann sind die sogenannten "Bahnhofs-Läuferinnen". So nennt die Nürnberger Stadtmission die beiden Streetworkerinnen, die sich seit einigen Monaten um die Wohnungslosen am Hauptbahnhof kümmern. Jetzt wurde das Pilot-Projekt vorgestellt.
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In Nürnberg gebe es zwar ein gutes Hilfssystem für obdachlose Menschen, sagt Andreas Bott, der bei der Stadtmission den Bereich Hilfen für Menschen in Wohnungsnot leitet. "Aber es gibt immer wieder Menschen, die es nicht schaffen, davon zu profitieren", sagt er. Dementsprechend sind sie in einer schlechten psychischen und körperlichen Verfassung.
Niemand muss das Angebot der "Bahnhofs-Läuferinnen" annehmen
Bei ihren Rundgängen durch den Hauptbahnhof und dessen nähere Umgebung sprechen die beiden Sozialarbeiterinnen diese Menschen an. Zu erkennen sind die Helferinnen an einer Umhängetasche mit dem Emblem der Stadtmission. "Wir wollen im Gespräch herausfinden, welche Hilfen benötigt werden", sagt Zitzmann. Ganz wichtig sei, dass das Angebot freiwillig sei. "Niemand ist verpflichtet, es anzunehmen." Oft dauere es lange, bis die Menschen sich ihre Lage eingestehen.
Die Streetworkerinnen sind regelmäßig am frühen Morgen und auch am späten Abend im Hauptbahnhof unterwegs. "So können wir sehen, wer wohnungslos ist und sich dort auch über Nacht aufhält", sagt Jaß. Die "Bahnhofs-Läuferinnen" kümmern sich um die Grundbedürfnisse dieser Menschen. Sie vermitteln beispielsweise einen Schlafplatz in einer Notschlafstelle, zeigen, wo es Essen und medizinische Versorgung gibt. Außerdem helfen sie bei Behördengängen oder schlichten Konflikte.
Lage am Nürnberger Hauptbahnhof: "Kein Grund zu Hysterie"
Ziel sei es, das Leben der obdach- und wohnungslosen Menschen zu stabilisieren und die sichtbare Obdachlosigkeit zu reduzieren, sagt Björn Bracher, Bereichsleiter Hilfe in besonderen Lebenslagen. Das helfe sicherlich auch, die gefühlte Sicherheit am Hauptbahnhof zu verbessern. "Aber wir haben vor allem die Not der Menschen im Blick und wir haben Hilfsangebote für sie", sagt er. Deshalb verstehe er "die Hysterie über die Lage am Nürnberger Hauptbahnhof nicht". Die sei nicht anders als an anderen Großstadtbahnhöfen in Deutschland.
Hoffnung auf Geld von der Stadt
Rund 1.200 Kontakte hatten die "Bahnhofsläuferinnen" in den vergangenen Monaten seit dem Start des Projekts. "Das zeigt, dass es nicht nur ein wichtiges Angebot ist, sondern ein Angebot, das angenommen wird", sagt Kai Stähler, der Vorstandsvorsitzende der Stadtmission Nürnberg. "Das Thema ist die DNA der Diakonie und der Stadtmission."
Gut 100.000 Euro gibt der Sozialverband für das Pilotprojekt aus, das zwei Jahre läuft. Ein Großteil der Summe wird vom bayerischen Sozialministerium getragen. Stähler wünscht sich, dass die Stadt Nürnberg nach den ersten beiden Jahren die Finanzierung übernimmt – auch wenn die Kassen leer sind. "Sie ist originär für die Wohnungslosenhilfe zuständig, das ist eine kommunale Pflichtaufgabe."
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