Eine Tafel mit der Abbildung von einem Davidstern und einem Chanukkaleuchter sind vor der neuen Synagoge in Regensburg angebracht.
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Entsetzt und "zutiefst verstört" äußern sich die jüdischen Gemeinden in Bayern zur Causa Aiwanger.

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"Zutiefst verstört": Jüdische Gemeinden zur Causa Aiwanger

"Zutiefst verstört": Jüdische Gemeinden zur Causa Aiwanger

Vor der Entschuldigung von Hubert Aiwanger haben die jüdischen Gemeinden in Bayern dessen Umgang mit der Flugblatt-Affäre kritisiert. Besonders ein Aspekt löst Unverständnis aus. Ein Vorschlag lautete, den Minister in eine KZ-Gedenkstätte einzuladen.

Über dieses Thema berichtet: BAYERN 3-Nachrichten am .

  • Zum Artikel: "Aiwanger äußert sich zu Vorwürfen"

Inzwischen hat Hubert Aiwanger um Entschuldigung gebeten - zuvor hatte sein Umgang mit der Flugblatt-Affäre in den Israelitischen Religions- und Kultusgemeinden Bayerns Irritation ausgelöst. Nach Vorwürfen um ein altes antisemitisches Flugblatt, Juden-Witze und den Hitler-Gruß hatten sich Vertreter jüdischer Gemeinden in Deutschland entsetzt geäußert.

"Was mir gefehlt hat, ist eine ganz klare Distanzierung von den Dingen, die er offensichtlich in seiner Jugend im Gedankengut oder vielleicht sogar verbreitet hatte", sagte der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, im BR-Interview. So ganz genau wisse man es bisher nicht. Anfangs habe Aiwanger gesagt, es sei eine Schmutzkampagne und er werde strafrechtlich dagegen vorgehen. Jetzt heiße es, Aiwanger könne sich an den Hitlergruß nicht erinnern.

Schuster kritisiert Aiwangers Reaktion

Schuster sprach von einer "Salami-Taktik", die ihn zutiefst verstöre. "Ich hätte erwartet, dass Hubert Aiwanger sich eindeutig ganz schnell zu der Thematik äußert." Er hätte auch erwartet, dass Aiwanger erkläre, dass solches Gedankengut in keiner Weise mit seinem Gedankengut heute identisch sei.

Schuster sagte, auch bei anderen Politikern, eher linken Politikern, habe es in der Jugend und in der Vergangenheit Dinge gegeben, die sogar strafrechtlich relevant gewesen seien; aber diese Politiker hätten dann auch klar gesagt: 'Das habe ich gemacht, das war so, das bedaure ich heute.' Ein solches Wort habe er bislang nicht gehört.

Schuster sagte im BR überdies, er habe keine Anhaltspunkte, dass Aiwanger heute Extremist sei. Aber er habe eine ganz klare Erklärung erwartet, wie Aiwanger zu den Dingen aus der Schulzeit heute stehe und sie damit auch klar abgrenze von der politischen Arbeit, die er heute macht. Auf die Frage, ob Aiwanger sein Mandat ruhen lassen sollte, erklärte der Präsident des Zentralrats der Juden: "Ich denke, er sollte die ihm vorgelegten Fragen so rasch wie möglich beantworten, und dann liegt die Entscheidung, wie weiter zu verfahren ist, in den Händen des Ministerpräsidenten."

Mangelnde Aufarbeitung von Antisemitismus in Deutschland?

Die Vorsitzende der Israelitischen Kultusgemeinde für Straubing und Niederbayern, Anna Zisler, macht die mangelnde Aufarbeitung des Antisemitismus in Deutschland als einen Grund für den Fall Aiwanger aus. Zum Einzugsgebiet der Gemeinde gehören auch Mallersdorf, wo Aiwanger zur Schule ging, sowie Rottenburg, wo Aiwangers Bruder Helmut ein Waffengeschäft betreibt.

Der Fall zeige das, was sie der Gesellschaft schon seit Jahren vorhalte, so Zisler in einer schriftlichen Erklärung an den Bayerischen Rundfunk: "Nach dem 2. Weltkrieg und dem schrecklichsten Verbrechen gegen die Menschlichkeit wurde unser Land in Schweigen gehüllt. Einige Menschen standen immer noch hinter den Nazis und dem Hitler-Regime. Eine Auseinandersetzung mit diesen Gefühlen gab es nie, so kann es dazu kommen, dass wir heute über einen Fall Aiwanger reden, wo zwei Brüder als junge Männer mutmaßlich eine antisemitische Geisteshaltung hatten."

Zisler: "Auseinandersetzung mit Holocaust nicht scheuen"

Für Zisler hätte Aiwanger gut daran getan, sein Verhältnis zum Umgang mit Antisemitismus klar darzulegen - egal, ob er Verfasser des Flugblattes war oder nicht. "Ein Fehlverhalten kann man eingestehen und sich dafür entschuldigen. Es wird nicht besser durch zweifelhafte Ausreden und Verschwörungstheorien." Die Vorsitzende der jüdischen Gemeinde hofft nun, dass sich die Gesellschaft wieder mehr mit der Vergangenheit auseinandersetze, vor allem in Schulen, um "unsere wehrhafte Demokratie zu schützen und zu stärken". Die Auseinandersetzung mit dem Holocaust dürfe man nicht scheuen.

Ilse Danzinger, Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde Regensburg, bezeichnet den Inhalt des Flugblattes als "absolut menschenverachtend". Auf Anfrage des BR-Studios Ostbayern schrieb sie, die Opfer des Holocaust würden "auf schlimmste Art und Weise verunglimpft"; der Ursprung dieses Pamphlets müsse unbedingt aufgeklärt werden. Auch ein 17-jähriger Gymnasiast wisse bereits, "was er schreibt und offensichtlich hat sich der Verfasser auch genauestens mit dem Holocaust auseinandergesetzt". Letzteres erkenne man an den "widerlichen Details". Danzinger hält es vor diesem Hintergrund gerade in der heutigen Zeit "für mehr als wichtig, gegen derartiges rechtes Gedankengut anzukämpfen".

Jüdische Gemeinde Nürnberg will Aiwanger in KZ-Gedenkstätte einladen

Der Vorsitzende der Israelitischen Kultusgemeinde Nürnberg, Jo-Achim Hamburger, will Aiwanger zu einem Besuch in die KZ-Gedenkstätte Dachau einladen. Es sei ihm ein Anliegen, Aiwanger bei einem gemeinsamen Rundgang zu zeigen, welche Ausmaße Antisemitismus und Hass annehmen könnten, wenn man sie nicht bekämpfe, sagte Hamburger dem Bayerischen Rundfunk. "Hätte Hubert Aiwanger sich sofort von dem Flugblatt und antisemitischen Äußerungen insgesamt – von wem auch immer sie erhoben wurden – distanziert, wäre das glaubwürdig und anständig gewesen", so Hamburger weiter. "Dieses Herumlavieren aber finde ich sehr feige."

Augsburger Kultusgemeinde "besorgt"

Auch in der Israelitischen Kultusgemeinde Schwaben-Augsburg sorgt der Umgang Aiwangers mit dem Vorwurf der Judenfeindlichkeit durchaus für "Aufregung". So formuliert es deren Präsident Alexander Mazo im Gespräch mit dem BR-Studio Schwaben. In der Gemeinde sei man "besorgt" und das Ganze habe "keinen guten Geschmack".

Bisher habe es im Vorstand der Kultusgemeinde aber keine größere Auseinandersetzung mit den Vorgängen gegeben. Es sei deshalb noch viel zu früh, um mehr dazu zu sagen. Mazo fasst seine Haltung abschließend mit einem Wort zusammen: "Schade".

Es dürfte interessant sein, wie die Vertreter der jüdischen Gemeinden nun die jüngsten Äußerungen Aiwangers bewerten.

  • Zum Artikel: Aiwanger: "Aufrichtige Entschuldigung"

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