Die AfD ist derzeit die größte Oppositionsfraktion im Bundestag – mit mehr als 150 Abgeordneten. Sichtbar ist sie, laut ist sie. Doch gestalten kann sie nicht, denn ohne politischen Partner bleibt sie machtlos. Alle anderen Fraktionen lehnen eine Zusammenarbeit mit der vom Verfassungsschutz in Teilen als gesichert rechtsextrem eingestuften Partei ab. Die sogenannte "Brandmauer" gegen die AfD steht – zumindest auf Bundesebene. Vor allem die CDU, die als einziger potenzieller Koalitionspartner gilt, schließt ein Bündnis aus. Genau diese Brandmauer will die AfD einreißen.
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AfD-Verhaltenskodex mit doppelter Botschaft
Auf ihrer jüngsten Fraktionsklausur beschloss die AfD einen Verhaltenskodex. Darin heißt es: "Die Mitglieder sind um ein geschlossenes und gemäßigtes Auftreten im Parlament bestrebt, um die politische Handlungsfähigkeit und Glaubwürdigkeit der Fraktion sicherzustellen."
Die Strategie ist klar: Die AfD will sich kontrollierter geben – einem möglichen Parteiverbot entgegenwirken, anschlussfähig für neue eher konservative Wählerschichten werden, langfristig auch für politische Bündnisse. Der Verhaltenskodex kann daher vor allem auch als ein Annäherungsversuch an die CDU interpretiert werden.
Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der AfD, Stefan Keuter, beteuerte im Interview mit dem Deutschlandfunk: Die Partei werde sich im Parlament künftig anders verhalten. Auf platte Zwischenrufe werde man verzichten.
Die Generaldebatte: Lautstarke Realität
Wie ernst meint es die AfD mit der neuen Disziplin? Bei der Generaldebatte am Mittwoch im Bundestag, dem traditionellen Schlagabtausch zu Beginn der Haushaltswoche, war davon wenig zu spüren. Co-Parteichefin Alice Weidel eröffnete die Debatte als Oppositionsführerin – und setzte den Ton: scharf, provokant, teils beleidigend.
Als Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) seine Rede hielt, fiel vor allem die AfD mit lauten Zwischenrufen auf. Rund 70 davon können allein während Merz' Rede im Protokoll gezählt werden. Weidel und ihre Fraktion dominierten an einigen Stellen die Szene. Neu war dabei nicht nur die enorme Lautstärke, mit der die AfD Macht demonstrieren wollte, sondern auch die Reaktion: Anders als seine Vorgänger Olaf Scholz (SPD) oder Angela Merkel (CDU) ließ Merz die Angriffe nicht unbeantwortet – er ging mehrfach direkt auf die Zwischenrufe ein. Ein Bruch mit der bisherigen Linie, die AfD im Parlament weitgehend zu ignorieren.
Auch Bundestagspräsidentin Julia Klöckner (CDU) zeigte klare Kante. Als Weidel wiederholt dazwischenrief, unterbrach Klöckner die Debatte: "Frau Dr. Weidel, die AfD hat noch Redezeit. Sie können das alles zusammenfassen, nachher. Jetzt hat der Redner hier das Wort." Weidel widersprach. Klöckner: "Wir zwei diskutieren hier nicht; sonst können Sie den Saal hier verlassen." Applaus kam aus der CDU/CSU und Teilen der SPD. Die AfD konterte lautstark mit weiteren Buh-Rufen. Sieht das aus nach Änderung des Verhaltens gemäß des neuen Kodex'?
Brandmauer zur AfD – keine politische Partnerschaft in Sicht
Inhaltlich sucht die AfD gezielt die Nähe zur Union. Themen wie Migration, Sicherheit und Wirtschaftsstandort bieten Schnittmengen – und werden von der AfD als Brücke ins bürgerliche Lager inszeniert. Die AfD sendet damit bewusst Signale der offenen Arme in Richtung Union.
Doch CDU/CSU halten bislang an der Brandmauer zur AfD fest – besonders deutlich wurde das in Merz' Rede: Er machte darin unmissverständlich klar, worin die Differenz zur AfD liegt. Statt "nationalistisch" und mit Untergangsszenarien, wie er sie bei Weidel sieht, setze er auf internationale Zusammenarbeit und Zuversicht.
Wo Merz ist, will die AfD hin: ins Kanzleramt, in die Regierung. Doch der Weg dahin führt nicht allein nur über Wahlergebnisse, sondern über politische Partnerschaften. Gemäßigt oder radikal? Auf dem Papier zumindest will man einen gemäßigteren Kurs einschlagen. Doch gerade nach der Debatte im Bundestag ist der selbst auferlegte AfD-Kurswechsel beim Auftritt fraglich. Und auch innerhalb der AfD wirken weiterhin verschiedene, teils radikale Strömungen – der parteiinterne Richtungsstreit ist längst nicht entschieden.
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