Die Europäische Rabbinerkonferenz kritisiert einen Beschluss des Zentralausschusses des Ökumenischen Rats der Kirchen, auch Weltkirchenrat genannt, in dem die Politik Israels in Gaza und den Palästinensergebieten als "Apartheid-System" bezeichnet wird. Diesem Abschlusstext hatte der Weltkirchenrat bei seiner einwöchigen Tagung in Südafrika zugestimmt.
Weltkirchenrat: Apartheid hat Israel auferlegt
"Wir verurteilen das System der Apartheid, das Israel dem palästinensischen Volk auferlegt", heißt es im Abschlusstext des Zentralausschusses des Ökumenischen Rat der Kirchen. Das Gremium fordert ein Ende von Besatzung und Blockade des Gazastreifens und wirft Israel vor, den Menschen in Gaza unerträgliches Leid zuzufügen.
Der Ökumenische Rat der Kirchen (ÖRK) ist ein Zusammenschluss von 365 protestantischen, anglikanischen, orthodoxen und altkatholischen Kirchen in der ganzen Welt. Er vertritt rund 580 Millionen Christen. Die katholische Kirche ist nicht Mitglied, arbeitet mit dem Weltkirchenrat aber zusammen. Heinrich Bedford-Strohm, ehemaliger bayerischer Landesbischof und ehemaliger Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), ist seit 2022 Vorsitzender des Zentralausschusses.
Bedford-Strohm: Kritische Stimmen hätten Beschluss mitgetragen
Bedford-Strohm verteidigte den Beschluss, Israel für seine Politik als "Apartheid-System" zu bezeichnen. "Man kann in der Diskussion um diesen Begriff nach wie vor unterschiedlicher Meinung sein", sagte Bedford-Strohm. Es gebe Analogien zum Apartheid-Regime, aber auch Unterschiede. "Ein von einem nach wie vor unfassbaren Völkermord traumatisiertes Volk, das nach aller Verfolgung endlich einen Ort findet, wo es sicher leben kann, lässt sich nicht einfach gleichsetzen mit den weißen Kolonialisten, die das System der Apartheid in Südafrika errichtet haben."
Trotzdem hätten die kritischen Stimmen die Gesamterklärung am Ende mitgetragen. "Das liegt in dem Erschrecken über das unermessliche Leid begründet, das die Bombardements der israelischen Armee im Gazastreifen angerichtet haben und das durch keine noch so legitime Selbstverteidigung mehr zu rechtfertigen ist." Bedford-Strohm verwehrte sich dem Vorwurf, der Beschluss sei antisemitisch.
Rabbinerkonferenz wirft Weltkirchenrat "doppelte Standards" vor
Kritik am Apartheids-Vorwurf kommt von der Europäischen Rabbinerkonferenz in München. Deren Präsident Oberrabbiner Pinchas Goldschmidt wirft dem Weltkirchenrat doppelte Standards vor: Wer Israel Apartheid vorwerfe, aber die russisch-orthodoxe Kirche in seiner Mitte dulde und sich von dieser größtenteils finanzieren lasse während diese zum heiligen Krieg in der Ukraine aufrufe, sollte lieber schweigen, sagte der jüdische Vertreter dem BR. Der Weltkirchenrat offenbare historisches Unwissen und moralisches Versagen, so Goldschmidt.
Der Begriff Apartheid mit Bezug auf Israel ist in der Ökumene hochumstritten. Die elfte Vollversammlung des ÖRK in Karlsruhe im September 2022 endete mit einem Kompromiss: Der Weltkirchenrat hatte Israel damals nicht zum Apartheidstaat erklärt. Vor einer solchen Einstufung hatten insbesondere Antisemitismus-Beauftragte und jüdisch-christliche Verbände gewarnt.
Mit Material vom epd
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