Blick auf das Berliner Reichstagsgebäude, den Sitz des Deutschen Bundestags.
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(Symbolbild) Die AfD wird weiter keinen Ausschussvorsitzenden im Bundestag stellen.
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Ausschussvorsitze ohne AfD: Rechtlich klar, politisch umstritten

Ausschussvorsitze ohne AfD: Rechtlich klar, politisch umstritten

Im Bundestag konstituieren sich derzeit die Ausschüsse. Als größte Oppositionspartei reklamiert die AfD den Vorsitz in sechs der 24 Ausschüsse für sich. Die werden gewählt – und die Kandidaten der AfD sind allesamt durchgefallen. Ein Überblick.

Über dieses Thema berichtet: BAYERN 3-Nachrichten am .

Es sind zentrale Posten im Parlament: die Vorsitzenden der Ausschüsse. 24 ständige Ausschüsse gibt es – vom Haushalt über Gesundheit bis hin zu Kultur. Sie gelten als Maschinenraum des Bundestags, dort findet die eigentliche inhaltliche Arbeit statt: Kleinere, spezialisierte Gruppen von Abgeordneten feilen an Gesetzesentwürfen, verändern sie und laden Experten ein. An ihrer Spitze stehen die Ausschussvorsitzenden – Machtfaktoren in Berlin. Idealerweise moderieren sie neutral und bringen verschiedene Positionen zusammen.

Der Ausschussvorsitzende als Chef-Netzwerker

Der bayerische Abgeordnete Bernd Rützel (SPD) war die vergangenen Jahre Vorsitzender im Ausschuss Arbeit und Soziales. Rützel beschreibt die Rolle des Vorsitzenden als die eines Chefnetzwerkers: Sitzungen organisieren und vorbereiten, die Tagesordnung aufstellen und natürlich die Sitzungen leiten.

Auch müssten andere Ausschüsse informiert werden über die Ergebnisse, man brauche ein großes Netzwerk, müsse viel miteinander sprechen. Rützel hat den AfD-Kandidaten in seinem Ausschuss "Arbeit und Soziales" nicht gewählt. "Mein Grund ist, dass ich niemand von der AfD hier im Deutschen Bundestag wähle. Generell."

Ungeschriebene Gesetze gelten nicht mehr

Traditionell ist es so, dass die Vorsitze der Ausschüsse nach einem bestimmten Zugriffs-Verfahren vergeben werden, die Größe der Fraktion spielt dabei eine erhebliche Rolle. Die AfD, zweitstärkste Partei im Parlament, bekäme sechs Vorsitze, die Union als stärkste Kraft acht, die SPD fünf, die Grünen drei, die Linke zwei. Bis die AfD 2017 in den Bundestag einzog, galt als ungeschriebenes Gesetz: Die vorgeschlagenen Kandidaten der Parteien werden gewählt.

Nachdem jedoch der Vorsitzende des Rechtsausschusses, der AfD-Abgeordnete Stephan Brandner, 2019 aufgrund einiger umstrittener Twitter-Aktivitäten abgewählt worden war, gilt dieses Gesetz nicht mehr. 2021 kam die AfD gar nicht mehr zum Zug. Auch eine Klage der AfD scheiterte, das Bundesverfassungsgericht stellte 2024 klar: Ein Anspruch auf einen Vorsitz existiert für die Fraktionen nicht. Dennoch sprechen die AfD-Chefs Alice Weidel und Tino Chrupalla auch jetzt von "Spielchen", einer "Blockadehaltung" und einem "undemokratischen Vorgang".

AfD: Größte Oppositionsfraktion ohne Ausschuss-Vorsitzende

Wenn nun die AfD-Kandidaten für den Vorsitz durchfallen, kommen die Stellvertreter ins Spiel. Sie übernehmen in diesem Fall als amtierende Vorsitzende. Auch hier wird das Zugriffs-Verfahren angewendet, auch hier werden im Ältestenrat des Deutschen Bundestags die Vorsitze "gezogen".

Die Fraktionen wählen dabei in einer festen Reihenfolge die Ausschüsse aus, in denen sie den Vorsitz übernehmen möchten. Zunächst wählt die CDU einen Ausschuss, den sie besetzen möchte, dann die AfD, dann die SPD und dann die anderen Parteien. Sehr wahrscheinlich wird die AfD aber letztlich auch keine Stellvertreter-Posten besetzen können, weil die anderen Parteien sie nicht wählen.

Der Grund: Die AfD sei zu extrem, zu radikal, die Posten zu wichtig

Nachdem der Verfassungsschutz die Partei Anfang Mai als gesichert rechtsextremistisch eingestuft hatte, sagte Kanzler Friedrich Merz (CDU) damals: Spätestens jetzt "ist es auch für mich unvorstellbar, dass Abgeordnete im Deutschen Bundestag AfD-Abgeordnete zu Ausschussvorsitzenden wählen". Die AfD ist juristisch mit einem Eilantrag gegen die Einstufung vorgegangen – bis zu einem Urteil ist die Einstufung ausgesetzt. Doch die Signalwirkung bleibt.

AfD ausschließen: Juristisch sauber – politisch klug?

Im Kern geht es weniger um Verfahrensfragen – sondern um politische Strategie: Soll man die AfD ausschließen oder stärkt man sie damit? Vor allem in der Union sorgt diese Frage für Spannungen. Der parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Hendrik Hoppenstedt, folgte zwar der Linie, AfD-Kandidaten nicht zu wählen, "jedoch bin ich der festen Überzeugung, dass wir damit das AfD-Problem nicht an der Wurzel packen." Die AfD nutze "jede Gelegenheit, um sich als Opfer hinzustellen. Diese Möglichkeit möchte ich ihnen gern nehmen."

Der Umgang mit der AfD bleibt daher ein Reizthema – das zeigt ein weiteres Beispiel: die Raumverteilung im Bundestag. Als zweitgrößte Fraktion hat die AfD den zweitgrößten Sitzungssaal beansprucht. Doch den nutzt traditionell bislang die SPD. Obwohl die Fraktion seit der letzten Bundestagswahl deutlich geschrumpft ist, will die SPD den "Otto-Wels-Saal" behalten – und darf es auch. Das hat jetzt der Ältestenrat des Parlaments entschieden. Der parlamentarische Geschäftsführer der AfD, Bernd Baumann, hat die Entscheidung als ein "neues Foulspiel" kritisiert. Der Parlamentsgeschäftsführer der SPD, Dirk Wiese, hingegen hebt die "sachlich-fachlich begründete Entscheidung" im demokratischen Verfahren hervor.

Die Grundsatzfrage, die über der neuen Bundesregierung und dem neuen Bundestag schwebt, scheint bei den Fraktionen aber weiter ungeklärt zu sein: Wie umgehen mit der größten Oppositionspartei im Bundestag, der AfD?

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