Eine Pflegefamilie in Norddeutschland (Archiv)
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Bundesregierung startet Kampagne: Pflegefamilien gesucht

Bundesregierung startet Kampagne: Pflegefamilien gesucht

Immer mehr Kinder können nicht bei ihren leiblichen Eltern aufwachsen – doch Pflegefamilien fehlen bundesweit. Eine neue Kampagne soll das ändern. Was Pflegeeltern leisten, warum der Bedarf steigt und welche politischen Versprechen noch offen sind.

Über dieses Thema berichtet: BR24 im Radio am .

Sie sind rar – und für viele Kinder lebenswichtig: Pflegeeltern. Wenn Familien in Krisen geraten, psychisch überfordert sind oder Sucht den Alltag bestimmt, werden Pflegefamilien zu Rettungsankern. Doch genau daran mangelt es: Bundesweit fehlen Schätzungen zufolge jährlich rund 4.000 Pflegefamilien.

Die aktuellen Zahlen des Statistischen Bundesamts (externer Link) verdeutlichen die Lage: 2023 lebten rund 215.000 Kinder und Jugendliche außerhalb ihrer Herkunftsfamilien – ein Plus von vier Prozent. Etwa 128.000 von ihnen waren in Heimen untergebracht, 87.000 in Pflegefamilien.

Prien wirbt für "Zusammenhalt in der Gesellschaft"

Um mehr Menschen für die Aufgabe zu gewinnen, startet die Bundesregierung erstmals eine bundesweite Kampagne. Unter dem Motto "Zeit, die prägt" sollen Plakate, Social-Media-Videos und Informationsmaterial auf das Thema aufmerksam machen.

Bundesfamilienministerin Karin Prien (CDU) spricht von einem Erfolg, "wenn es uns gelingt, noch mehr Eltern zu gewinnen und zu verhindern, dass Jugendliche im Heim untergebracht werden". Für sie ist die Bedeutung klar: "Wenn wir über Zusammenhalt in der Gesellschaft sprechen, sind solche Themen von zentraler Bedeutung. Der einzelne kann da wirklich einen großen Unterschied machen."

Pflegefamilien: Zwischen Aufbruch und Überforderung

Was ein solcher Unterschied im Alltag bedeutet, zeigt Anne Wiesener aus Berlin. Sie und ihr Mann haben drei Pflegekinder aufgenommen, seit August lebt die fünfjährige Isabell bei ihnen. Für Wiesener war die Entscheidung eindeutig: "Was ist besser für ein Kind: eine Familie oder eine Wohngruppe?" Doch die Herausforderungen sind groß. Viele Pflegekinder seien traumatisiert und entwicklungsverzögert: "Da sind viele Wutanfälle, viel Weinerei. Isabell ist fünf, wird sechs – aber eigentlich auf dem Entwicklungsstand von vier, bestenfalls. Damit muss man klarkommen."

Viele Pflegekinder kommen aus belasteten, traumatisierten Familien. Alkohol- oder Drogenkonsum während der Schwangerschaft ist keine Seltenheit. Rund 10.000 Kinder werden jährlich mit Fetaler Alkoholspektrumstörung (FASD) geboren – mit erheblichen körperlichen und geistigen Einschränkungen. Für Pflegefamilien bedeutet das, dauerhaft Verantwortung zu tragen.

Auch Pflegevater Stefan Hofmann beschreibt die zentralen Anforderungen: "Durchhaltevermögen, viel Vertrauen auch dem Kind gegenüber, dass man immer dranbleibt und nicht aufgibt, wenn es mal schwierig wird."

Wer kann Pflegekinder aufnehmen?

Grundsätzlich kann jeder ab 25 Jahren eine Pflegeelternschaft übernehmen – Paare mit oder ohne eigene Kinder, gleichgeschlechtliche Paare oder Alleinstehende. Voraussetzung sind "geordnete wirtschaftliche Verhältnisse" und ausreichend Wohnraum, wie es auf der Seite des Ministeriums heißt. Das Auswahlverfahren dauert in der Regel zwischen neun und zwölf Monaten und gilt als intensiv und persönlich.

Noch wichtiger aber ist ein stabiles, liebevolles Umfeld. Wie viel das bewirken kann, zeigt ein Moment, den Pflegemutter Savitah Hofmann nie vergessen wird. Ihr Pflegesohn Lukas, der eine 60-prozentige Behinderung hat, schenkte ihr eines Tages einen großen Blumenstrauß und sagte: "Ich möchte mich bei dir bedanken, du bist die beste Pflegemama, die es gibt." Für Hofmann ist das unbezahlbar: "Das ist eine schöne Sache, Kindern zu helfen, dass sie ein schönes Zuhause haben."

Finanzielle Fragen – und politische Zurückhaltung

Pflegeeltern erhalten monatlich Pflegegeld, dessen Höhe je nach Bundesland variiert. Orientierung bietet für Bayern die Empfehlungen des Bayerischen Landkreis- und Städtetags: 1.060 Euro für Kinder bis sechs Jahre, 1.202 Euro für Sieben- bis Zwölfjährige und 1.390 Euro ab 13 Jahren.

Elterngeld jedoch steht Pflegeeltern bislang nicht zu. Dabei lautet das Versprechen im Koalitionsvertrag von Union und SPD: "Wir stärken die Rechte von Pflegeeltern und führen für sie ein Elterngeld ein." Auf BR24-Anfrage betont Prien, man prüfe dies, sie mahnte aber angesichts knapper Haushaltskassen: "Wir müssen in Deutschland damit aufhören zu glauben, wir könnten alle Probleme mit Geld lösen." Pflegefamilien wünschen sich zudem weniger Bürokratie – auch daran wolle das Ministerium arbeiten.

Für Prien steht fest: Pflegefamilien leisten einen "unbezahlbaren Wert für die Gesamtgesellschaft". Die neue Kampagne soll helfen, dass mehr Menschen sich vorstellen können, ein Pflegekind aufzunehmen – und damit ein Leben zu verändern.

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