Eine Woche nach der US-Wahl stehen die Demokraten immer noch unter Schock. Sie traten gegen Donald Trump an – einen verurteilten Straftäter, der versucht hat, das Wahlergebnis der vergangenen (und wohl auch dieser) Wahl zu manipulieren, der damit prahlte, Frauen sexuell zu attackieren, der politische Gegner als "Ungeziefer" bezeichnete und der mit dem Gedanken spielt, das Militär gegen "Feinde im Inneren" einzusetzen. Und sie haben verloren – und das deutlich. Von demokratischen Politikern und Wählern ist nun oft die gleiche Frage zu lesen: "Wie konnte das passieren?"
Es gibt erste Schuldzuweisungen. Der linke Senator Bernie Sanders bemängelt, dass die Partei "die Menschen der Arbeiterklasse im Stich gelassen" habe. David Plouffe, Wahlkampfberater von Kamala Harris, machte indirekt Präsident Joe Biden verantwortlich. Man habe sich zum Start "aus einem tiefen Loch herausgraben" müssen. Für viele ist die Message klar: Biden habe zu spät Platz gemacht.
Woran lag es, dass die Demokraten scheiterten? Drei zentrale Punkte:
Joe Biden und der fehlende Prozess
Entgegen seiner Ankündigung, ein "Übergangs-Präsident" sein zu wollen, trat Biden zunächst wieder an. Die Folge: Keine Vorwahl-Debatten bei den Demokraten, kein Wettbewerb um die besten Ideen, kein Schaufenster, in dem sich potenzielle Nachfolger präsentieren konnten. Die Chance sei verpasst worden, zu lernen, "welcher Kandidat in der Lage ist, die Stimmung im Land zu treffen", bilanziert New-York-Times-Kolumnist Ezra Klein.
Zudem nehmen viele offenbar den Demokraten übel, dass sie die Öffentlichkeit über den Zustand von Biden getäuscht hätten. Der Gedanke: Leuten in seinem inneren Zirkel müsse doch aufgefallen sein, dass er der Aufgabe nicht mehr gewachsen sei. Aber sie stellten seine Kandidatur nicht infrage.
Die Themen: Demokratie und Abtreibung
Die Demokraten hatten die Hoffnung, dass das Thema Abtreibung im Duell gegen Trump helfen würde. Schließlich hatte Trump die konservativen Richter am Supreme Court ernannt, die das allgemeine Recht auf Abtreibung einkassierten. Jeder Einzel-Staat hat es nun in der Hand, die Gesetzgebung zu ändern.
Dadurch gibt es Referenden, auch bei dieser Wahl. Staaten wie Arizona, Nevada und selbst das tief konservative Missouri stimmten dafür, das Abtreibungsrecht festzuschreiben oder zu erweitern. Aber alle drei Staaten gingen im Präsidentschaftsrennen an Trump. Viele haben also für Trump und das Recht auf Abtreibung gleichermaßen stimmen können.
Trump als Gefahr für die Demokratie – dies ist ein Argument der Demokraten, seit der Republikaner im Jahr 2015 seine erste Kandidatur erklärt hatte. Für viele im Land scheint sich das jedoch abgenutzt haben. In Interviews mit Trump-Unterstützern war häufig zu hören: Wenn Trump so schlimm sei, hätte er in seiner ersten Präsidentschaft doch viel mehr Schaden angerichtet.
Die Kandidatin und ihre Strategie
Harris hatte eine schwierige Ausgangslage: Im Rekordtempo musste sie einen Wahlkampf auf die Beine stellen. Und noch gravierender: Sie wurde als Teil einer Regierung wahrgenommen, die extrem unbeliebt ist. Da halfen auch gute Wirtschaftsdaten nichts, die teils hohe Inflation unter Biden hat viele Menschen im Land extrem getroffen. Harris konnte sich nicht glaubhaft von Biden distanzieren. Und wenn es möglich war, nutzte sie die Chance nicht.
Harris galt in ihrer Zeit als Staatsanwältin in Kalifornien als konsequente Law-and-Order-Frau, im demokratischen Vorwahlkampf 2020 nahm sie dann sehr linke Positionen ein, um nun wieder in die Mitte zu schwenken. Vielen US-Amerikanern war nicht klar, wofür Harris eigentlich steht.
Auch im Stil gab es große Differenzen: Während Trump in Schürze im McDonald’s Fritten ausgab, sah man Harris zuvor im teuren Kostüm auf der Titelseite der Vogue. Dass sie lange Interviews verweigerte und einen möglichst risikofreien Wahlkampf führte, wird ebenfalls kritisiert. Zudem versuchte sie, ihre Koalition möglichst breitzumachen, absolvierte mehrere Wahlkampf-Termine mit der konservativen Liz Cheney, die als Sohn des ehemaligen Vize-Präsidenten Dick Cheney die wohl bekannteste Anti-Trump-Stimme bei den Republikanern ist.
Doch es heißt bereits aus Teilen der Partei: Statt möglichst viele anzusprechen, hätte man enttäuschte ehemalige Demokraten ansprechen sollen. "Wir haben den Blick dafür verloren, wo unsere Wählerschaft ist", sagte Meghan Hays, eine ehemalige Biden-Beraterin, dem Fernsehsender MSNBC. Das zeigt sich daran, dass vor allem Menschen mit niedrigem Einkommen Trump gewählt haben sowie große Teil der Latinos – Wählergruppen, die die Demokraten eigentlich bei sich beheimatet sehen.
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