Zweifel an dem geopolitischen Machtanspruch Amerikas unter Donald Trump lässt die Nationale Sicherheitsstrategie nicht aufkommen, die seit dem Wochenende die Rolle der USA in der Welt unmissverständlich definiert: "In allem, was wir tun, stellen wir Amerika an erste Stelle", schreibt US-Präsident Donald Trump im Vorwort zu seiner Sicherheitsdoktrin (Zum PDF-Download; externer Link).
Der Kontrast zu Amtsvorgänger Joe Biden könnte nicht größer sein: In Bidens Nationaler Sicherheitsstrategie von 2022 wurden China und Russland als die beiden wesentlichen Bedrohungen für Frieden und Sicherheit benannt. Es wurde vor Autokraten gewarnt, die die Demokratie untergraben und ein Regierungsmodell exportieren würden, "das durch Unterdrückung im Inland und Zwang im Ausland gekennzeichnet ist" (Zum PDF-Download; externer Link).
Jetzt heißt es unter Präsident Trump: "Die Zeiten, in denen die Vereinigten Staaten wie Atlas die gesamte Weltordnung stützten, sind vorbei."
Welche Ziele verfolgen die USA in Europa?
Die Nationale Sicherheitsstrategie Trumps zeichnet ein düsteres Bild vom alten Kontinent: Europa befinde sich im wirtschaftlichen Niedergang, der "von der realen und noch bedrohlicheren Aussicht auf den Untergang der Zivilisation überschattet" werde. Zu den größeren Problemen, mit denen Europa konfrontiert sei, "gehören die Aktivitäten der Europäischen Union und anderer transnationaler Gremien". Diese würden die "politische Freiheit und Souveränität untergraben".
Damit wird eine von Trump oftmals wiederholte Behauptung zementiert, wonach die EU nur gegründet worden sei, um den USA zu schaden. Ferner wird in dem Dokument den Europäern vorgehalten, eine Migrationspolitik zu verfolgen, "die den Kontinent verändert und Konflikte hervorruft". Zudem würde die "freie Meinungsäußerung" zensiert, die politische Opposition unterdrückt. Sinkende Geburtenraten "sowie der Verlust nationaler Identitäten und des Selbstbewusstseins" seien ebenfalls Indizien für den Niedergang Europas.
Diese Passagen in Trumps Sicherheitsstrategie spiegeln im Wesentlichen die massiven Vorhaltungen gegenüber Europa wider, mit denen US-Vize-Präsident J.D. Vance bereits im Februar auf der Münchner Sicherheitskonferenz für Aussehen gesorgt hatte: Nicht Russland oder China bereiteten ihm mit Blick auf die Bedrohung Europas am meisten Sorgen. "Was mir Sorgen bereitet, ist die Bedrohung von innen, der Rückzug Europas von einigen seiner grundlegendsten Werte – Werten, die es mit den Vereinigten Staaten von Amerika teilt."
Europas Sicherheit und Russland
Europa mangele es an "Selbstvertrauen gegenüber Russland", verfüge Europa doch "in fast jeder Hinsicht einen erheblichen Vorteil an 'Hard Power', mit Ausnahme von Atomwaffen". Europas Beziehungen zum kriegsführenden Russland – im Dokument ist vom "Krieg Russlands in der Ukraine" die Rede – seien stark beeinträchtigt. Und viele Europäer würden Russland "als existenzielle Bedrohung" betrachten.
Von den europäischen Bemühungen, die Ukraine im Abwehrkrieg gegen Russland zu unterstützen, hält die Sicherheitsstrategie nichts: "Die Trump-Regierung steht im Widerspruch zu europäischen Politikern, die unrealistische Erwartungen an den Krieg haben." Zumal sich in Europa "instabile Minderheitsregierungen befinden, von denen viele grundlegende Prinzipien der Demokratie mit Füßen treten, um die Opposition zu unterdrücken".
Eine große Mehrheit der Europäer wünsche sich Frieden, "doch dieser Wunsch schlägt sich nicht in der Politik nieder". Die USA würden deshalb "Widerstand gegen den aktuellen Kurs Europas innerhalb der europäischen Nationen fördern". Eine deutlichere Absage an die bisherige transatlantische Wertegemeinschaft wurde bislang von keiner einzigen Vorgängerregierung in Washington formuliert.
Amerikas Prioritäten für Europa
Als erstes Ziel Washingtons wird die "Wiederherstellung der Stabilität innerhalb Europas und der strategischen Stabilität mit Russland" genannt. Europa müsse in die Lage versetzt werden, "auf eigenen Beinen zu stehen" und "die Hauptverantwortung für seine eigene Verteidigung" übernehmen. Was dies konkret heißt, ließen Pentagon-Offizielle den europäischen Nato-Partnern bereits mitteilen: Wie die Nachrichtenagentur Reuters Ende der vergangenen Woche unter Berufung auf Quellen im US-Verteidigungsministerium meldete, verlangt Washington, dass die Europäer bis 2027 einen Großteil der konventionellen Verteidigungskapazitäten zu übernehmen hätten. Andernfalls würden die USA sich an "einigen Nato-Verteidigungsmechanismen" nicht mehr beteiligen.
Eine Absage erteilt die Sicherheitsstrategie an die Aufnahme neuer Nato-Mitglieder: Die Nato sei kein "sich ständig ausweitendes Bündnis". Damit wird unter anderem dem Streben der Ukraine ein Riegel vorgeschoben, in der Zukunft dem westlichen Verteidigungsbündnis beitreten zu können.
Im Video: Wie die Sicherheitsstrategie der USA den Druck auf Europa erhöht
Im Video: Wie die Sicherheitsstrategie der USA den Druck auf Europa erhöht
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