Pünktlich und zuverlässig ankommen: Das ist das Ziel aller Fernfahrer, auch das von Tobias Wagner. Doch Wagner fährt keinen dieselbetriebenen Laster, sondern einen Elektro-Lkw. Der hat 1069 PS, ist derzeit der leistungsstärkste Lastwagen Europas und ein deutsches Fabrikat. Die Reichweite liegt bei maximal 500 Kilometern. Sie genau einzuschätzen, sei nicht einfach. "Beim Elektro-Lkw spielen Wetter, Wind und Temperaturen eine viel größere Rolle als beim Diesel-Lkw," sagt Tobias Wagner.
Mit dem Lkw an die PKW-Ladesäule
Wagner startet seine Tour an einem Montagmorgen um 6 Uhr im oberbayerischen Mühldorf. Die neun im Fahrzeug verbauten Batterien müssen noch vollgeladen werden. Passende Lkw-Infrastruktur gibt es hier nicht. Tobias Wagner nutzt eine Schnellladestation, die eigentlich für Pkw gedacht ist: "Die hat die Leistung, die ich brauche, 350 KW." Aber nur die Zugmaschine parkt an der Pkw-Ladesäule. Den Auflieger hat er ein paar Straßen weiter abgestellt, denn: Der gesamte Lkw passt nicht in die Parkbucht an der Ladesäule. "Diese Übergangslösung, PKW-Ladesäulen zu nutzen, ist der große Hebel, bis die Lkw-Ladeinfrastruktur entsprechend dicht ausgebaut ist", sagt er. Anfangs sei es schwierig gewesen, geeignete Lade-Möglichkeiten zu finden, sagt Wagner. Jetzt hat er sich Ladesäulen, an denen er gut mit dem Lkw stehen kann, auf einer digitalen Karte notiert: "Mittlerweile habe ich in ganz Deutschland viele Lieblingsladesäulen und Raststätten, wo es gut funktioniert."
Elektro-Lkw im Fernverkehr noch die Ausnahme
Elektro-Lkw werden im Linienverkehr auf kürzeren Strecken schon häufiger eingesetzt. Aber Tobias Wagner wollte in den Fernverkehr. Elektrisch quer durch Europa fahren, jeden Abend woanders ankommen und immer wieder aufs Neue nach Lademöglichkeiten suchen: Was andere vielleicht abschreckt, hat ihn gereizt. Er ist Quereinsteiger; vor einigen Jahren hat er ein Startup-Unternehmen im Bereich Ladeinfrastruktur gegründet. Im vergangenen Jahr machte er sich auf die Suche nach einer passenden Spedition, für die er arbeiten kann. In Bayern hat er allerdings keine gefunden.
Spedition in Ostfriesland: Elektro-Fuhrpark mit Fern-Lkw
Jetzt arbeitet er für ein Unternehmen in Ostfriesland - eine Spedition, die schon etwa 20 Elektro-Lkw im Fuhrpark hat. Weitere sollen bald folgen. "Das fand ich so faszinierend, dass ich von Bayern nach Ostfriesland gezogen bin, weil ich dachte: Da muss ich dabei sein, das will ich ausprobieren."
Mit seinem Elektro-Lkw fährt er seit neun Monaten von Ostfriesland durch ganz Europa. "Ich war in Südspanien, in England, bisher hat alles gut geklappt:" Natürlich gebe es noch einige Probleme, sagt Wagner, aber die seien lösbar. Und er sieht auch Vorteile, zum Beispiel die Lenk- und Ruhezeiten. "Nach viereinhalb Stunden muss ich eine Pause machen. Wenn man das mit dem Ladevorgang kombiniert, hat man gar keinen Nachteil." Das sei natürlich immer mit etwas Planung verbunden. Er muss dort Pause machen, wo er auch aufladen kann.
Elektro-Lkw schneiden bei laufenden Kosten gut ab
Der E-Trucker ist davon überzeugt, dass der Elektro-Lkw schon jetzt dem Diesel überlegen ist - auch wenn der Anschaffungspreis etwa doppelt so hoch sei. "Bei einem Lkw machen sich die Betriebskosten stark bemerkbar. Wenn ich zwischendurch im Depot unserer Spedition zu Industriestrompreisen laden kann, dann ist das sehr günstig. Und die Mautbefreiung macht sich extrem bemerkbar." Allein dadurch spare der Lkw etwa 30 Cent pro Kilometer ein.
Wasserstoff oder elektrisch: In der Praxis hat Elektro-Lkw Vorteile
Für Tobias Wagner ist die Frage, ob Wasserstoff- oder reiner Elektro-Lkw das Rennen gewinnt, längst beantwortet. "Mit dem Elektro-Lkw kann ich schon heute in ganz Europa laden. Wasserstofftankstellen gibt es kaum." In der Logistik werde messerscharf kalkuliert. Mit den gleichen Energiekosten könne der Elektro-Lkw etwa drei Mal so weit fahren wie der Wasserstoff-Lkw. "Kein Unternehmer wird bereit sein, diese Mehrkosten zu übernehmen."
Im Video: MAN startet Batteriefertigung in Nürnberg
Der Nutzfahrzeughersteller MAN setzt darauf, dass sich auch im Schwerverkehr die E-Mobilität durchsetzt, und treibt die Batterieproduktion voran.
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