Ein Blick in die Statistik zeigt: Rund 460-mal haben in den letzten zehn Jahren Vermögen den Besitzer gewechselt, die sich auf mindestens 100 Millionen Euro belaufen. Und in mehr als der Hälfte dieser Fälle wurden keine Steuern fällig. Das geht aus Daten der Bundesregierung hervor, die die Linke angefragt hat.
"Ich finde, dass diese Zahlen nochmal den Auftrag klar machen", sagt der Bundestagsabgeordnete Dietmar Bartsch im BR24-Interview. Nach seinen Worten gibt es viele Fälle, in denen selbst "bei Riesenvermögen" keine Steuern bezahlt werden. "Diese Schlupflöcher müssen geschlossen werden", so der Linke-Politiker.
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Fiskus nimmt jährlich Milliarden durch Erbschaftsteuer ein
Die Statistik zeigt aber auch, dass insgesamt beträchtliche Summen an Erbschaft- und Schenkungsteuer fließen. Rund 13 Milliarden Euro waren es dem Statistischen Bundesamt zufolge im vergangenen Jahr. Mehr als drei Milliarden Euro entfielen auf Bayern.
Dessen ungeachtet sehen auch die Grünen im Bundestag ein Problem bei der Erbschaftsteuer. Das macht Katharina Beck deutlich, die finanzpolitische Sprecherin der Fraktion: "Wer unfassbar viel erbt, zahlt weniger, als wer mittelviel erbt." Sie spricht von einer Gerechtigkeitslücke.
Wirtschaftsexperte für Reform der Erbschaftsteuer
Auch das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung spricht sich für Änderungen aus. Sein Präsident Marcel Fratzscher begründet das im BR24-Gespräch damit, dass bei kleineren Erbschaften ein drei- bis viermal höherer Steuersatz fällig werde als bei sehr großen Erbschaften. Ein Grund dafür liegt in den Regelungen zum sogenannten Betriebsvermögen, wie der Wirtschaftswissenschaftler ausführt. "Wenn Sie von den Eltern ein Unternehmen erben, dann können Sie dieses Unternehmen unter bestimmten Umständen komplett steuerfrei bekommen."
Das gilt zum Beispiel, wenn man die Steuerschuld nicht begleichen kann, weil das geerbte Vermögen im Betrieb steckt und nicht auf Konten herumliegt. Und genau das ist auch das zentrale Argument der Befürworter solcher Ausnahmen: In ihren Augen geht es darum, bei einem Generationenwechsel an der Firmenspitze Arbeitsplätze zu sichern.
Unionsfraktionschef sieht Problem bei Verteilung von Vermögen
Ausgelöst hat die aktuelle Erbschaftsteuer-Diskussion jemand, von dem man es nicht unbedingt erwartet hätte. "Es ist ein Problem: die Vermögensverteilung", so Jens Spahn vor Kurzem im ZDF. In der Sendung zeigte sich der Unionsfraktionschef mit Blick auf eine Reform der Erbschaftsteuer grundsätzlich gesprächsbereit. Unter der Bedingung, dass Firmen nicht in ihrem Fortbestand gefährdet werden.
Das wiederum befürchten die Gegner einer Reform. Gerade erst hat Wirtschaftsministerin Katherina Reiche von der CDU vor negativen Folgen für Unternehmen gewarnt. Und auch die CSU lehnt höhere Steuersätze ab. Parteichef Markus Söder fordert stattdessen, die Erbschaftsteuer zu regionalisieren. "Dann können die SPD-Länder erhöhen und wir Bayern werden die Erbschaftsteuer massiv senken", so Söder unlängst im ARD-Interview. Ein Vorschlag, der bei der Schwesterpartei CDU auf wenig Gegenliebe stieß.
Erbschaftsteuer-Reform: AfD warnt vor "Raubzug"
Die Union dürfte in der Diskussion auch im Blick haben, wie sich die AfD positioniert. Deren Fraktionschefin Alice Weidel formulierte es vergangene Woche im Bundestag so: "Das nächste CDU-Umfallen kündigt sich bei der Erbschaftsteuer an." Forderungen nach einer Reform laufen nach ihren Worten auf einen "neuen Raubzug gegen den unternehmerischen Mittelstand" hinaus.
SPD nimmt die "großen Vermögen" ins Visier
Die SPD aber bleibt dabei: Sie will Änderungen bei der Erbschaftsteuer – mit dem Ziel, die "breiten Schultern" und die "großen, großen Vermögen" mehr als bisher an der Finanzierung des Gemeinwesens zu beteiligen, wie es SPD-Fraktionschef Matthias Miersch vor einigen Tagen im Bundestag deutlich machte. Bei Freibeträgen für nahe Verwandte oder Ausnahmen für Erben von selbstgenutztem Wohneigentum soll es aber offenbar bleiben.
Gut möglich, dass das Thema demnächst richtig in Fahrt kommt. Denn mit der Erbschaftsteuer beschäftigt sich auch das Bundesverfassungsgericht – und eine Entscheidung dazu steht noch aus. Je nach dem, wie sie ausfällt, würde das den Druck auf die Koalition erhöhen.
Eines aber ist schon jetzt klar: Löcher im Bundeshaushalt ließen sich mit einer Reform eher nicht stopfen. Denn die Erbschaftsteuer steht den Ländern zu, nicht dem Bund.
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