Die Bundestagsdebatte zum Finanzpaket läuft seit rund anderthalb Stunden, da liegen sich Saskia Esken und Bärbel Bas in den Armen. Nicht vorne im Plenum, sondern in einem Nebenraum. Die SPD-Chefin sucht am Rande der Sondersitzung die Nähe zur Parlamentspräsidentin, weil mit der Wahlperiode auch die Amtszeit von Bas endet. Zum Abschied gibt es Blumen.
Doch noch ist der alte Bundestag voll handlungsfähig, wie es das Bundesverfassungsgericht klargestellt hat. Anlass waren Eilanträge, die das Gericht abwies. Und so kommen die Abgeordneten der zu Ende gehenden Wahlperiode an diesem Dienstag voraussichtlich ein letztes Mal zusammen. Um darüber zu entscheiden, was in Berlin das Eine-Billion-Euro-Paket genannt wird.
Finanzpaket sieht Verteidigungsausgaben ohne Limit vor
Geplant ist unter anderem, Verteidigungsausgaben weitgehend von der Schuldenbremse des Grundgesetzes auszunehmen. Theoretisch kann der Bund damit künftig Kredite in unbegrenzter Höhe aufnehmen. Vorausgesetzt, sie kommen etwa der Bundeswehr, den Geheimdiensten oder dem Zivilschutz zugute. Außerdem soll ein Schuldentopf von bis zu 500 Milliarden für Infrastruktur eingerichtet werden – und für Klimaschutz, was die Grünen durchgesetzt haben. Deren Fraktionschefin Britta Haßelmann stellt allerdings in der Debatte klar, der Kampf gegen die Erderwärmung sei "kein Hobby von Bündnis 90/Die Grünen".
Angesichts der Dimensionen des Finanzpakets räumt Friedrich Merz ein: "Selbstverständlich ringen wir mit einem solchen weitreichenden Schritt." Aber die sicherheitspolitische Lage sei nun einmal so, dass man die Pläne "mit gutem Gewissen beschließen" könne, so der Unions-Kanzlerkandidat. Das sage er stellvertretend für seine Fraktion – "jedenfalls ganz überwiegend".
FDP kritisiert Merz für Kurswechsel
Ein Hinweis darauf, dass es in den Reihen von CDU und CSU Unmut gibt. Von einem solchen Kreditprogramm war im Wahlkampf nie die Rede, wohl aber vom Eintreten für die Schuldenbremse. Christian Dürr, der sich mit seiner FDP-Fraktion aus dem Parlament verabschiedet, ruft Merz zu: "Sie verkaufen eine Grundgesetzänderung als notwendige Anpassung an neue Herausforderungen." Dabei handele es sich um den "Startschuss für hemmungslose Schuldenmacherei".
Merz folgt der Rede des Liberalen scheinbar ungerührt, die Beine übereinandergeschlagen. Doch er ahnt, dass manche Parteifreunde Ähnliches befürchten. Für seinen Auftritt hat er einen ordentlichen Applaus bekommen – aber keinen überschwänglichen. Dass die Union hier Angriffsfläche bietet, weiß auch AfD-Chef Tino Chrupalla. Er wirft dem CDU-Vorsitzenden vor, die Staatsverschuldung "in den Himmel" treiben zu wollen.
Finanzpaket: CSU lobt "gemeinsame Kraftanstrengung"
Alexander Dobrindt wiederum wird grundsätzlich, als er die Kritik von FDP und AfD pariert. Der Chef der CSU-Abgeordneten lobt den Kompromiss von Union, SPD und Grünen als "gemeinsame Kraftanstrengung" aus der Mitte des Bundestags. "Wir werden unsere Art zu leben verteidigen", betont der Chef der CSU-Abgeordneten. Und zwar gegen Gefahren "von innen und von außen" – also gegen das russische Regime, aber auch gegen Extremisten im eigenen Land.
Darin ist sich Dobrindt mit dem Verteidigungsminister von der SPD einig. Boris Pistorius stellt gewohnt schneidig fest: "Bedrohungslage steht vor Kassenlage." Mit der Einigung sorge man für eine "stabile Finanzierung unserer Streitkräfte", ohne andere Investitionen zu gefährden. Dafür setze er "auf die Stimme jedes einzelnen Mitglieds dieses Hauses", so Pistorius. 31 Stimmen mehr als erforderlich haben Union, SPD und Grüne im alten Bundestag. Kein übergroßer Puffer.
Bundestag beschließt Finanzpaket mit nötiger Zweidrittelmehrheit
Bei der Abstimmung dann reicht es aber für die geplanten Grundgesetzänderungen. 513 Abgeordnete votieren mit Ja, für die Zweidrittelmehrheit waren mindestens 489 Stimmen nötig.
Sollte am Freitag auch der Bundesrat zustimmen, ist das Finanzpaket endgültig beschlossene Sache. Und schon am Mittwoch wird im Bundestag ein anderer Schlusspunkt gesetzt. Im Plenarsaal werden die Stuhlreihen verrückt – für die anstehende erste Sitzung des neu gewählten Bundestags.
Der alte hat sich nun verabschiedet. Mit einer Entscheidung, die noch lange nachhallen wird.
Im Video: Milliarden fürs Land - Lösung oder neue Krise
Nach einer emotionalen Debatte hat der Bundestag grünes Licht für das milliardenschwere Finanzpaket von Union, SPD und Grünen gegeben.
Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.
"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!