Ukrainische Soldaten der 117. Brigade feuern D-30-Artillerie
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Hart umkämpft: der Donbass im Osten der Ukraine
Bildrechte: picture alliance / Anadolu | Diego Herrera Carcedo
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Hart umkämpft: der Donbass im Osten der Ukraine

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Friedensforscher zu Ukraine: "Gebietsabgabe wäre fatales Signal"

Friedensforscher zu Ukraine: "Gebietsabgabe wäre fatales Signal"

Jeder dritte Mensch in Deutschland will, dass die Ukraine Gebiete an Russland abgibt – damit bald Frieden herrscht. Friedensforscher Jonas Driedger warnt: Trump könnte in Putins Falle tappen.

Über dieses Thema berichtet: Possoch klärt am .

Der Donbass gilt als Schlüssel für den Ukraine-Krieg. Trump bringt immer wieder einen "Gebietstausch" mit Russland ins Spiel. Und auch ein Drittel der Deutschen ist laut aktueller Umfrage des Meinungsforschungsinstitut Civey im Auftrag von Focus Online [externer Link] dafür, dass die Ukraine Gebiete an Russland abgibt. Experte Jonas Driedger warnt im BR24-Interview für "Possoch klärt" vor den Folgen. Der Friedens- und Konfliktforscher am Peace Research Institute Frankfurt (PRIF) erklärt, warum Putin in Trump einen idealen Partner für seine Ziele sehen könnte.

BR24: Herr Driedger, wie wichtig ist der Donbass für eventuelle Friedensverhandlungen? Putin macht das ja immer zur Grundbedingung.

Jonas Driedger: Der Donbass ist für diesen Krieg und auch für die Friedensperspektiven absolut zentral. Das hat damit zu tun, dass er für beide Seiten auch ein wichtiges Mittel zum Zweck ist. Auf ukrainischer Seite ist es das eigene Territorium, die Bevölkerung will diese Gebiete wiederhaben. Auf russischer Seite hat sich das Regime propagandistisch seit über zehn Jahren darauf verlegt, dieses Gebiet zu kontrollieren. Wenn die Ukraine sich aus diesem Gebiet zurückziehen würde, würden sich daraus große strategische Nachteile ergeben.

"Bei Gebietsaufgabe wäre die Ukraine noch verwundbarer"

BR24: Wird die Ukraine den Donbass aufgeben müssen, damit Frieden möglich wird?

Driedger: Es gibt viele Pfade zum Frieden, alle sind lang und kompliziert. Viele dieser Pfade gehen nicht mit einer Aufgabe dieser Gebiete einher. Es gibt sogar Szenarien, wo eine Gebietsaufgabe diese Friedensperspektive erschweren würde. Wenn die Ukraine sich zurückzieht, steht sie strategisch schlechter da und wäre bei einem erneuten russischen Angriff noch verwundbarer. Ganz wichtig: Es gäbe den Lerneffekt, dass beim russischen Regime der Eindruck entstehen kann – wenn wir nur lange genug Waffendruck aufbauen, knicken die westlichen Staaten ein. Und dann ist die Frage: Ist damit der russische Hunger gestillt? Da würde ich ein großes Fragezeichen dransetzen.

Im Video: Was muss die Ukraine für den Frieden opfern? Possoch klärt!

"Den Deutschen fehlt das Verständnis"

BR24: Laut einer aktuellen Umfrage will jeder dritte Deutsche, dass die Ukraine Gebiete an Russland abgibt. Sind das alles Leute, die auf russische Propaganda reingefallen sind?

Driedger: Es gibt ganz viele Gründe dafür. Das große Grundproblem ist, dass in der deutschen Bevölkerung das Verständnis nicht so groß ist, was das eigentlich bedeutet. Es gibt zwei grundlegende Unterschiede: Die Ukraine kann sagen, wir tolerieren die russische Besatzung und lassen die Waffen schweigen. Das ist aber etwas ganz anderes, als die russischen Annexionen zu akzeptieren. Das wäre ein massiver Bruch des Völkerrechts und politisch für die Ukraine noch weniger tragbar als nur die Toleranz der russischen Besatzung. Vielen Leuten ist das nicht bewusst.

BR24: Welche Konsequenzen hätte eine Gebietsabgabe für die Sicherheitslage in Europa?

Driedger: Die Ukraine müsste strategisch wichtige Stellungen aufgeben. Dadurch wäre sie einem erneuten Schlag Russlands gegenüber verwundbarer. Bei Russland kann ein Lerneffekt eintreten, dass durch offensive Militärkraft noch mehr Landnahme erreicht werden kann, weil die andere Seite nicht bereit ist, diesem Druck zu widerstehen. Das bedeutet auch, dass sich die Sicherheitslage im Baltikum gegenüber Russland verschlechtert.

Trump macht dem Kreml Hoffnung

BR24: Könnte Putin in Trump jemanden gefunden haben, der auf seine Verhandlungstaktik reinfällt?

Driedger: Putin hat in Trump einen amerikanischen Präsidenten gefunden, der sehr untypische ideologische Präferenzen hat, keine strategische Weitsicht und ein sehr erratisches Verhalten an den Tag legt. Das hält im Kreml die Hoffnung aufrecht, dass man durch weiteren Druck Maximalziele erreichen kann. Die Realisierung dieser Maximalziele hätte für viele Menschen und Länder katastrophale Auswirkungen.

BR24: Danke für das Gespräch.

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