Nach 738 Tagen in der Gewalt der Hamas im Gazastreifen sind alle überlebenden Geiseln wieder frei. Die islamistische Terrorgruppe übergab die letzten verbliebenen 20 Geiseln am Vormittag dem Internationalen Komitee vom Roten Kreuz. Anschließend wurden sie nach übereinstimmenden Medienberichten nach Israel gebracht. Darunter sind auch vier Deutsch-Israelis – die 28 Jahre alten Zwillinge Gali und Ziv Berman sowie Alon Ohel (24) und Rom Braslavski (21). Die israelische Armee veröffentlichte ein Bild der Zwillinge, das ihr Wiedersehen dokumentiert.
Auf dem "Platz der Geiseln" im Zentrum der israelischen Küstenmetropole Tel Aviv wurde die Übergabe von Tausenden Menschen verfolgt. Der Jubel war groß. Nach der Freilassung wurden die Geiseln in ein israelisches Militärlager am Rande des Gazastreifens gebracht. Dort sollte es – abgeschirmt von den Medien – ein erstes Wiedersehen mit Angehörigen geben. Anschließend sollten die bisherigen Geiseln zur weiteren Behandlung in Krankenhäuser geflogen werden.
Israel will 2.000 palästinensische Häftlinge entlassen
Im Gegenzug sagte Israel zu, etwa 2.000 palästinensische Häftlinge aus dem Gefängnis zu entlassen – darunter auch rund 250, die zu lebenslanger Haft verurteilt worden waren. Auch dieser Austausch hat Berichten zufolge bereits begonnen. Der prominente palästinensische Politiker Marwan Barghuti soll aber in Haft bleiben. Zu den Vereinbarungen gehört, dass die Hamas noch am Montag auch die Leichen von 28 Geiseln übergibt. Unklar war, ob dies im Lauf der vereinbarten Frist geschehen kann.
Der Austausch gehört zu den Vereinbarungen, mit denen der Gaza-Krieg beendet werden soll, der am 7. Oktober 2023 mit einem Massaker der Hamas in Israel begann. Der Friedensplan kam unter wesentlicher Vermittlung der USA zustande. Zur Unterzeichnung im ägyptischen Scharm el-Scheich wird auch US-Präsident Donald Trump erwartet. Zuvor wurde Trump von Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu für einen Auftritt im israelischen Parlament empfangen.
Im Video: Freilassung palästinensischer Häftlinge
Im Video: Freilassung palästinensischer Häftlinge
Große Zeremonie in Scharm el-Scheich
Zu der Zeremonie reisten auch zahlreiche andere Staats- und Regierungschefs nach Ägypten, darunter Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU). Auf Grundlage der Vereinbarungen gilt seit Freitag in dem weitgehend zerstörten Gazastreifen eine Waffenruhe. In den nächsten Wochen und Monaten geht es nun darum, daraus einen dauerhaften Frieden zu machen.
Zweifel an dauerhaftem Frieden
Nach all den Kriegen und Konflikten im Nahen Osten gibt es allerdings große Skepsis, ob das gelingt. Drei der größten Streitpunkte bleiben die Entwaffnung der Hamas, die in Trumps Friedensplan vorgesehen ist, der komplette Abzug von Israels Armee aus dem Gebiet sowie die Zukunft des Gazastreifens.
Auslöser des Gaza-Kriegs war das schlimmste Massaker in der Geschichte Israels, das Terroristen der Hamas sowie anderer extremistischer Palästinenserorganisationen vor zwei Jahren nahe der Grenze zum Gazastreifen verübten. Auf israelischer Seite wurden etwa 1.200 Menschen getötet und mehr als 250 nach Gaza verschleppt. Israel reagierte mit massiven Luftangriffen und einer Bodenoffensive. Nach Angaben der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde kamen dabei mehr als 67.000 Menschen ums Leben.
Israels Armee kontrolliert noch immer halben Gazastreifen
Die israelische Armee hat sich mit Beginn der Waffenruhe auf eine vereinbarte Linie zurückgezogen. Die Armee behält aber immer noch die Kontrolle über etwa die Hälfte des von Israel abgeriegelten Küstenstreifens.
Nach zwei Jahren Krieg ist die Lage für die Palästinenser im Gazastreifen verzweifelt. Hunderttausende Menschen müssen sich in einer zu weiten Teilen zerstörten, vermutlich von Blindgängern übersäten Trümmerlandschaft zurechtfinden, in der sie nur durch dauerhafte Hilfe von außen überleben können.
Seit Beginn der Waffenruhe hat Israel die Einfuhr von mehr Hilfsgütern in das Gebiet erlaubt: Täglich sollen rund 600 Lastwagen einfahren. Das ist nach UN-Angaben die Mindestmenge, um die Bevölkerung mit dem Nötigsten zu versorgen. Laut israelischen Sicherheitskreisen soll etwa auch die Reparatur von Wasserleitungen, Abwassersystemen und Bäckereien möglich sein.
Mit Informationen von AP und dpa
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