Kämpfer der HTS (Archivbild)
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HTS in Syrien: Wie gefährlich sind ausländische Kämpfer?

HTS in Syrien: Wie gefährlich sind ausländische Kämpfer?

Die islamistische HTS hat sich als zentrale Macht in Syrien etabliert und will einen gemäßigten Kurs fahren. Doch ausländische Kämpfer, auch aus Bayern, gelten weiterhin als radikal und sympathisieren mit al-Kaida. Das zeigen BR24-Recherchen.

Über dieses Thema berichtet: Politik und Hintergrund am .

Augsburg war vor gut neun Jahren Schauplatz intensiver Beobachtungen durch Verfassungsschutz und Polizei: Eine kleine Gruppe radikalisierter Männer tauschte in Chats Propaganda über Selbstmordattentate und den bewaffneten Kampf, dem Dschihad, aus. Zwei dieser Männer reisten den Ermittlern zufolge 2016 nach Syrien aus und landeten schließlich bei der islamistischen "Haiat Tahrir al-Sham" (HTS).

Mohamed K., einer der Ausgereisten, absolvierte nach Erkenntnissen der Sicherheitsbehörden eine Kampfausbildung und äußerte seine Unterstützung für das weltweite Terrornetzwerk al-Kaida. "Alle großen Gelehrten und Dschihad-Führer waren bei al-Kaida", schwärmte er nach BR-Informationen im Messenger-Dienst Telegram.

Kleiner Hörtipp für Sonntag, den 19 Januar, um 8 Uhr: Politik und Hintergrund – Redaktion und Moderation: Thies Marsen. Zu hören auf BR24 on air oder im Livestream. Die XL-Fassung ist bereits jetzt im Podcast verfügbar.

HTS-Unterstützer aus Bayern

Laut Bundesamt für Verfassungsschutz befindet sich eine mittlere zweistellige Anzahl von Personen mit deutscher Staatsangehörigkeit bei der HTS oder mit ihr verbündeten dschihadistischen Gruppierungen. Auch aus Bayern werden immer wieder Fälle bekannt.

Manch ein in Bayern Radikalisierter hat den Weg nach Syrien mit dem Leben bezahlt. So auch ein Freund von Mohamed K., der 2021 bei gewaltsamen ideologischen Konflikten innerhalb der HTS umgekommen sein soll.

HTS: Eine Macht in Syrien mit internationaler Vernetzung

In den vergangenen Wochen hat sich die HTS zur dominierenden Macht in Syrien entwickelt und kontrolliert große Teile des Landes. Sie ist bemüht, sich international als gemäßigte politische Kraft zu positionieren (externer Link). Doch HTS-Chef Ahmed al-Sharaa steht vor der Herausforderung, sich gegen radikale Strömungen innerhalb seiner eigenen Reihen durchzusetzen, wie jüngst die Wochenzeitung "The Economist" (externer Link, möglicherweise Bezahlinhalt) berichtete.

Auswertung der Recherche von "The Economist":

Steinberg: Masse dschihadistischer Kämpfer will Gottesstaat

Das Bundeskriminalamt sagt, dass von der HTS keine Gefahr für Europa ausgeht, weil sie sich auf Syrien beschränkt. So hat sich die HTS bereits 2017 von al-Kaida losgesagt. Trotzdem umfasst ihr Netzwerk weiterhin al-Kaida-nahe Gruppierungen. Diesen gehören "überwiegend" die deutschen Kämpfer an, bestätigt das Bundesinnenministerium auf BR24-Anfrage.

Neben Deutschen gibt es unter den ausländischen HTS-Kämpfern auch Franzosen, Türken oder Uiguren.

Der Islamwissenschaftler Guido Steinberg von der Stiftung Wissenschaft und Politik prognostiziert, dass in den kommenden Monaten erhebliche Herausforderungen auf die HTS warten, da ihre Führung sich bewusst ist, wie wichtig internationale Unterstützung ist. Deshalb sei sie gezwungen, eine gemäßigtere Herrschaftspraxis anzustreben, so Steinberg: "Auf der anderen Seite haben wir die Masse der dschihadistischen Kämpfer, die natürlich einen islamischen Gottesstaat will."

Deshalb schlägt der Terrorexperte Hans-Jakob Schindler vom "Counter Extremism Project" vor, von den syrischen Machthabern konkrete Maßnahmen zu fordern, um ihre Ernsthaftigkeit unter Beweis zu stellen. Ein denkbarer Schritt wäre Schindler zufolge, die ausländischen Kämpfer in ihre jeweiligen Heimatländer auszuliefern.

Experte: Gefahr durch Kämpfer vom Nordkaukasus

Insbesondere nordkaukasische Kämpfer spielen eine zentrale Rolle innerhalb der HTS, wobei ihre Netzwerke auch bis nach Deutschland reichen. Islamwissenschaftler Caspar Schliephack betont: "Aus Deutschland sind zahlreiche Personen mit nordkaukasischem Hintergrund ausgereist." Er warnt, dass einige von ihnen versuchen könnten, zurückzukehren – ein Szenario, das in einigen Fällen bereits Realität geworden sei. Diese Rückkehrer, erklärt Schliephack, würden allein durch ihre Anwesenheit zur Radikalisierung der islamistischen nordkaukasischen Szene beitragen.

Die militärische Expertise dieser Kämpfer hinterlässt deutliche Spuren: Nordkaukasier prägten eine paramilitärische Gruppierung, die für die Ausbildung von HTS-Kämpfern verantwortlich war. Nach Informationen des BR hat der Militärische Abschirmdienst die Fähigkeiten dieser Kampfausbilder bereits vor einigen Jahren in einem Gutachten bewertet. Darin wird festgestellt, dass ihr Ausbildungsniveau wahrscheinlich mit einer vertieften allgemein-militärischen Ausbildung vergleichbar ist.

Ein Bild vom HTS-Vormarsch vor einigen Wochen, das dem BR vorliegt, zeigt nordkaukasische Kämpfer in Syrien mit der schwarzen Flagge und dem islamischen Glaubensbekenntnis auf der Brust – ein weltweit bekanntes Symbol dschihadistischer Bewegungen.

Ausgeprägter Judenhass

Bewegungen, denen sich offenbar auch einige Kämpfer aus Deutschland tief verbunden fühlen. Zum Beispiel ein Mann, der seit Jahren über Telegram offen für den Dschihad wirbt und Hasspropaganda gegen Juden verbreitet. Per Telegram ließ er vor einigen Monaten auch verlauten, er habe im Umfeld der HTS Geld gesammelt – und dieses an die Terrororganisation Hamas nach Gaza geschickt.

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