Professorin Frauke Brosius-Gersdorf (Archivbild)
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Professorin Frauke Brosius-Gersdorf: Wegen Plagiatsvorwürfen will die Union ihre Wahl zur Verfassungsrichterin offenbar vorerst verschieben.
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Professorin Frauke Brosius-Gersdorf: Wegen Plagiatsvorwürfen will die Union ihre Wahl zur Verfassungsrichterin offenbar vorerst verschieben.

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Insider - Union will Wahl von Richterkandidatin verschieben

Insider - Union will Wahl von Richterkandidatin verschieben

Wegen Plagiatsvorwürfen will die Union wohl die Wahl der SPD-Kandidatin Frauke Brosius-Gersdorf zur Verfassungsrichterin verschieben. Auch ihre Haltung zum Abtreibungsrecht sorgt für Kritik. Zwei weitere Kandidaten sollen wie geplant gewählt werden.

Über dieses Thema berichtet: BR24 im Radio am .

Die Unionsfraktion will eine für den heutigen Freitag geplante Wahl einer Richterin für das Bundesverfassungsgericht verschieben. Wie am Freitagmorgen aus Unionskreisen verlautete, hätten Kanzler Friedrich Merz und CDU/CSU-Fraktionschef Jens Spahn dies der SPD-Fraktion mitgeteilt. Als Grund würden Plagiatsvorwürfe gegen die von der SPD vorgeschlagene Kandidatin, Professorin Frauke Brosius-Gersdorf, genannt. Plagiatsjäger sollen in der Doktorarbeit von Brosius-Gersdorf offenbar mehrere Plagiatsstellen gefunden haben.

Plenarsitzung unterbrochen

Diese Vorwürfe müssten zunächst aufgeklärt werden, hieß es aus Unionskreisen. Sie zögen die fachliche Expertise von Brosius-Gersdorf in Zweifel – und genau diese sei ein zentrales Argument für ihre Wahl gewesen. Auf Wunsch der SPD-Fraktion wurde nun die Plenarsitzung unterbrochen.

Brosius-Gersdorf sowie die Universitäten Potsdam und Hamburg sind für eine Stellungnahme angefragt. Eine angehende Verfassungsrichterin müsse über jeden Zweifel erhaben sein, hieß es weiter aus der Unionsfraktion.

In den vergangenen Tagen hatte sich gezeigt, dass es in der Unionsfraktion erhebliche Vorbehalte gegen Brosius-Gersdorf gibt. In der Unionsfraktion sei die Zahl der Abgeordneten, die wegen der Personalie Brosius-Gersdorf Gesprächsbedarf, schwere Bedenken oder ein klares Nein zur Wahl signalisiert hätten, in den vergangenen Tagen auf über 50 gestiegen, war aus Kreisen der Unionsfraktion zu hören.

"Einen solchen Vorgang hat es noch nie gegeben", sagte die Grünen-Co-Fraktionschefin Britta Haßelmann. Dies sei "ein Desaster für das Parlament" und die Koalitionsfraktionen Union und SPD. Die Grünen verlangen die Verschiebung aller drei für diesen Freitag geplanten Wahlen für Richter am Bundesverfassungsgericht. Einen entsprechenden Antrag werde man einreichen und erwarte Zustimmung, sagten Haßelmann und Grünen-Fraktionschefin Katharina Dröge.

Kritik gab es auch von Bundesratspräsidentin Anke Rehlinger (SPD): "Ich finde es auch ausdrücklich bedauerlich, wie man hier mit einer Richterin und einer Frau umgeht."

Wahl der übrigen Kandidaten soll planmäßig erfolgen

Die Wahl der beiden anderen Bewerber für die Richterstellen beim Bundesverfassungsgericht soll aber weiter stattfinden. Die Unionsfraktion hat für die drei vakant werdenden Stellen in Karlsruhe den Arbeitsrichter Günter Spinner nominiert, die SPD die Professorinnen Brosius-Gersdorf und Ann-Katrin Kaufhold. Am Freitag sollte im Parlament zunächst über Spinner, dann über die beiden anderen Kandidatinnen abgestimmt werden.

Für die geheime Wahl im Bundestag am Freitag ist eine Zweidrittelmehrheit der anwesenden Abgeordneten nötig. Gemeinsam mit den Grünen fehlten den Regierungsfraktionen Union und SPD selbst bei voller Besetzung des Bundestages jedoch sieben Stimmen zur Zweidrittelmehrheit. Wollen Union und SPD nicht von der AfD abhängig sein, brauchen sie auch die Unterstützung der Linken. Die Linke hatte ihre Zustimmung zu Spinner eigentlich von Gesprächen mit der Union abhängig gemacht. Darauf ging die Union aber nicht ein. 

Nun hieß es aus der Linken, man wolle der AfD nicht den Triumph gönnen, einen Verfassungsrichter von ihren Gnaden einzusetzen. Die Politisierung der Wahl sei im übrigen sehr ungut, hieß es.

Kritik an Haltung zu Abtreibung und Kopftuch

In der Unionsfraktion hatte es zuvor Vorbehalte gegeben, Brosius-Gersdorf zu ernennen. Dabei geht es unter anderem um ihre Positionierung zur Reform des Abtreibungsrechts. Unionsvertreter sehen laut Medienberichten zudem kritisch, dass sich die Juristin gegen die bisherige Rechtsprechung des Verfassungsgerichts zum Tragen des muslimischen Kopftuches im Staatsdienst gestellt habe.

Brosius-Gersdorf war auch stellvertretende Koordinatorin in einer von der vorherigen Bundesregierung eingerichteten Kommission, die eine mögliche Liberalisierung der Abtreibungsregelung prüfen sollte. Aus Sicht der Juristin gebe es gute Gründe dafür, dass die volle Garantie der Menschenwürde erst ab der Geburt gelte.

Die Präsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, Irme Stetter-Karp, sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND): "Ich würde sie aufgrund dieser Position nicht wählen können."

Auch der ehemalige Richter am Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe, Peter M. Huber, fürchtet, dass eine Wahl von Brosius-Gersdorf, dem Ansehen der Institution schaden könnte. "Ein dermaßen polarisierender Personalvorschlag ist für das Ansehen des Gerichts ein Risiko", sagte Huber dem Magazin, "Focus". "Die Frau Brosius-Gersdorf vorgehaltenen und hitzig diskutierten Positionen sind in der Gesellschaft wie unter Verfassungsrechtlern nicht mehrheitsfähig", betonte er.

Mit Informationen von dpa, Reuters, KNA und AFP.

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