"Wir brauchen mehr Personal an dieser Stelle", sagt Anne Brorhilker im ARD Interview der Woche. Ob bei der Justiz, bei der Polizei oder bei der Steuerfahndung – überall fehle es an personellen Ressourcen, so die frühere Staatsanwältin.
Gleiches gelte für den Bereich der Betriebsprüfungen. Brorhilker spricht sich dafür aus, "als Ad-hoc-Maßnahme" Betriebsprüfer des Bundes auf die Länder zu verteilen – mit dem Ziel, Steuerbetrug durch Unternehmen der Finanzbranche zu stoppen. Bei Cum-Ex-Geschäften lassen sich die Täter Steuergeld erstatten, das sie gar nicht gezahlt haben. Cum-Cum-Geschäfte sind ähnlich konstruiert. Der Schaden geht in die Milliarden.
Brorhilker unterstützt Vorschlag für automatisierte Steuererklärung
Damit sich in der Steuerverwaltung mehr Beschäftigte um ihre Kernaufgaben kümmern können, wäre aus Sicht der "Finanzwende"-Geschäftsführerin eine weitgehend automatisierte Steuererklärung für Arbeitnehmer sinnvoll. "Das ist genau der richtige Weg", sagt die 52-Jährige mit Blick auf einen entsprechenden Vorschlag der Deutschen Steuergewerkschaft.
Brorhilker spricht von einer "Win-win-Situation für beide Seiten". Zum einen würden die Bürger entlastet, zum anderen die Steuerbehörden. Diese könnten ihr Personal dann dort einsetzen, wo es wirklich gebraucht werde – statt es mit "Kleinkram" zu beschäftigen, so die ehemalige Staatsanwältin.
"Finanzwende" begrüßt Rücknahme von Fristverkürzungen
Die Bundesregierung lobt Brorhilker für einen Kabinettsbeschluss zum Thema Aufbewahrungsfristen für die Finanzbranche. Die Entscheidung von Schwarz-Rot sei "absolut richtig", findet die "Finanzwende"-Geschäftsführerin. Sie sieht darin ein "wichtiges Zeichen, dass sich der Staat nicht ausnehmen lässt wie eine Weihnachtsgans".
Eigentlich war geplant, dass beispielsweise Banken und Versicherungen Buchungsbelege künftig nur noch acht Jahre lang aufbewahren müssen. Nach Kritik von Teilen der Opposition und auch von "Finanzwende" beschloss das Kabinett Anfang August, dass es zumindest in dieser Branche bei einer Frist von zehn Jahren bleibt.
Brorhilker verlangt bessere technische Ausstattung von Steuerbehörden
Neben dem Personalproblem sieht Brorhilker noch andere Baustellen beim Vollzug von Steuergesetzen. Die technische Ausstattung sei oft veraltet. Zudem gebe es im Geflecht von Bund und Ländern keine einheitliche IT-Infrastruktur in Deutschland. Das habe zur Folge, dass sich Behörden nur unzureichend austauschen könnten.
Aus Sicht der ehemaligen Staatsanwältin gehen potenzielle Täter auf diesem Gebiet nach wie vor nur ein geringes Entdeckungsrisiko ein – auch wegen der genannten Probleme. Sie befürchtet deshalb, dass der Steuerbetrug auch Jahre nach dem Bekanntwerden des Cum-Ex-Skandals weitergeht.
Brorhilker hat sich in ihrer Zeit bei der Staatsanwaltschaft Köln einen Namen als Ermittlerin im Cum-Ex-Skandal gemacht. So organisierte sie im Herbst 2014 Durchsuchungen in 14 Ländern. Einige Täter sind mittlerweile verurteilt worden. Seit etwa einem Jahr ist Brorhilker Teil der Geschäftsführung von "Finanzwende". Der Verein versteht sich als Gegengewicht zu Großunternehmen der Finanzbranche.
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