Kassenärzte-Chef Andreas Gassen ist dafür, die Regeln für Krankschreibungen zu lockern, um Geld im Gesundheitswesen zu sparen. "Die gesetzliche Möglichkeit für Arbeitgeber, bereits in den ersten drei Tagen die Vorlage einer Krankschreibung zu verlangen, produziert abertausende Arztbesuche, die aus unserer Sicht nicht zwingend notwendig wären", sagte der Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) dem "Redaktionsnetzwerk Deutschland". Die Arbeitgeber kritisierten den Vorstoß Gassens scharf.
Kassenärzte-Chef: Krankschreibung soll ärztliche Bedeutung zurückgewinnen
Laut gesetzlicher Regelung ist ein Besuch beim Arzt und die Vorlage einer Krankschreibung erst dann erforderlich, wenn ein Arbeitnehmer länger als drei Kalendertage krank ist. Im Entgeltfortzahlungsgesetz ist aber eine Abweichung von dieser Regel erlaubt. "Der Arbeitgeber ist berechtigt, die Vorlage der ärztlichen Bescheinigung früher zu verlangen", heißt es dort.
Er mahnte an, diese Ausnahme von der Regel aus dem Gesetz zu streichen. "Eine generelle Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erst ab dem vierten Tag hätte wieder mehr den Stellenwert eines wirklichen ärztlichen Attestes und nicht eines Formvordrucks", sagte Gassen.
Gassen schlägt längere Fristen für Krankschreibungen vor – auch bei Kindern
Er stellte auch zur Debatte, die bisherige Frist von drei Tagen generell auf vier oder fünf Tage anzuheben. Es gehe um eine von den Beschäftigten selbst verantwortete Karenzzeit, argumentierte Gassen. Bei einer Ausweitung der Frist müsste die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung spätestens am fünften beziehungsweise sechsten Tag vorgelegt werden.
Eine ähnliche Lockerung schlägt Gassen für die Bescheinigung bei Erkrankung eines Kindes vor. Hier sei die Krankschreibung der Kinderärztin oder des Kinderarztes sogar ab dem ersten Krankheitstag erforderlich, kritisierte er. "Durch den Verzicht auf diese Bescheinigung bei kurzer Krankheitsdauer könnten, insbesondere in Zeiten mit hohem Infektionsgeschehen, sowohl die kinderärztlichen Praxen als auch die Eltern der erkrankten Kinder deutlich entlastet werden."
Kurzzeit-Krankschreibungen belasten Gesundheitssystem erheblich
Laut Gassen würden pro Jahr etwa 116 Millionen Krankschreibungen ausgestellt, berichtete das "Redaktionsnetzwerk Deutschland". Etwa 35 Prozent davon hätten eine Gesamtdauer von maximal drei Tagen. Entfielen diese, würde das Gesundheitswesen seinen Angaben zufolge um 1,4 Millionen Arbeitsstunden beziehungsweise Kosten von 100 Millionen Euro entlastet.
Arbeitgeber gegen spätere Krankschreibungen
Die Arbeitgeber weisen Gassens Überlegungen zurück, Beschäftigten bei einer Erkrankung ein etwas längeres Fehlen auch ohne Krankschreibung zu ermöglichen. "Eine pauschale Verlängerung der Karenzzeit würde die Arbeitgeberseite zusätzlich belasten, ohne die strukturellen Probleme zu lösen", sagte der Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), Steffen Kampeter, der dpa.
Kampeter sagte, es brauche eine stärkere Patientensteuerung. "Nur so kann unser Gesundheitswesen leistungsfähig, treffsicher und bezahlbar bleiben." Der Vorschlag der KBV greife jedoch zu kurz. Die Arbeitgeber unterstützen Gesundheitsministerin Nina Warken (CDU) in ihren Überlegungen, die Ausgaben gezielt zu senken. "Die Ärzteorganisationen sollten daran konstruktiv mitwirken und nicht durch Nebelkerzen die Debatte in die falsche Richtung lenken."
Mit Informationen von epd, dpa, Reuters und AFP
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