Überraschen konnte es nicht, dass sich die wolkigen Ankündigungen des US-Präsidenten in den Tagen nach seiner fehlgeleiteten ad hoc Einladung des russischen Kriegsherrn nach Alaska in Luft auflösen würden. Keine unmittelbare Waffenruhe, zu der sich die Ukraine schon Monate zuvor bereiterklärt und die Donald Trump von Kiew und Moskau eingefordert hatte; kein Ende der nächtlichen russischen Luftangriffe, und schon gar kein Treffen zwischen Wolodymyr Selenskyj und Wladimir Putin.
Kreml ließ Trump auflaufen
Während der ukrainische Präsident Selenskyj sich sofort zu einem Gipfeltreffen mit dem Auftraggeber des verheerenden Eroberungsfeldzugs gegen sein Land einverstanden erklärt hatte, ließ der Kreml den US-Präsidenten ebenso kalt wie professionell auflaufen: Derartige Spitzenbegegnungen würden langwierige Vorbereitungen erfordern.
Moskau fordert "Gegenseitigkeit seitens Kiews"
Und in kompletter Umkehr der Schuldfrage, warum es nicht zu einem bilateralen Treffen zwischen Angreifer und Verteidiger kommen könnte, suchte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow in dieser Woche, wie stets, der Ukraine die Verantwortung dafür zuzuschieben: Die Beilegung des Krieges, so Peskow in bester Orwell’scher Sprachverdrehung, erfordere "Gegenseitigkeit seitens Kiews". Das russische Synonym für Anerkennung der bisherigen Kriegsbeute auf dem Staatsgebiet der Ukraine, Stopp aller westlichen Militärhilfen für Kiew, Zusammenschmelzen der schlagkräftigen ukrainischen Streitkräfte auf Bürgerwehr-Niveau, Entsagung jeglicher NATO-Beitrittsambitionen und schließlich: Unterwerfung unter den russischen Einflussbereich.
Russland versucht, Selenskyj die Legitimation abzusprechen
Dass zudem Putin und seine Propagandisten seit langem versuchen, dem ukrainischen Staatspräsidenten jegliche Legitimation abzusprechen, mit der vergifteten wie unzutreffenden Unterstellung, Selenskyjs Amtszeit sei längst abgelaufen und daher könne er auch kein Gesprächspartner seien – all diese strategischen Kriegsziele und Ambitionen des russischen Machthabers waren den amerikanischen Russland-Experten in der US-Administration bestens bekannt.
In den Tagen vor dem Gala-Empfang für den vom Internationalen Strafgerichtshofs mit Haftbefehl gesuchten Putin in Alaska hätte eine der erfahrensten Russland-Analystinnen der CIA versucht, Trump und sein Umfeld auf die Begegnung mit Putin vorzubereiten. Wenige Tage danach, so berichtet die "Washington Post" unter Berufung auf US-Geheimdienstquellen, sei die hochrangige, ausgewiesene Russland-Expertin der CIA entlassen worden.
Russland-Experten gefeuert
Bereits zuvor hatte die systemische Verachtung der eigenen, amerikanischen Russland-Experten durch die Trump-Regierung für eine anhaltende Entlassungswelle dieser Fachleute im US-Außenministerium, im Nationalen Sicherheitsrat, im Pentagon und in den Geheimdiensten gesorgt. Das sei auch der richtige Ansatz, heißt es im Weißen Haus: Die "sogenannten" Experten hätten sicherlich eine "Menge Bücher" gelesen, aber nie mit Putin gesprochen – so wie eben Trump.
Außerdem gebe es ja noch Trumps Sonderbeauftragten Steve Witkoff, den langjährigen Freund und Immobilienunternehmer. Witkoff sei viel wertvoller für den Präsidenten als die Experten, denn, so zitiert die "Washington Post" eine Quelle im Weißen Haus, Witkoff kenne und verstehe den Präsidenten.
Zum Video: Analyse: Was passiert, wenn Russland die Nato angreift?
Der russische Präsident Vladimir Putin bei einer Militärparade am 9.5.2022
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