Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) hat mit seiner "Zirkuszelt"-Aussage über das Hissen der Regenbogenfahne auf dem Bundestag breite Kritik ausgelöst - auch in den Reihen des Koalitionspartners SPD. "Das ist eine sehr unglückliche Aussage. Und der Bundeskanzler sollte diese Aussage noch mal überdenken", sagte SPD-Fraktionsvize Armand Zorn bei RTL/ntv. In Zeiten, in denen "queere Menschen besonders viele Anfeindungen erleben, halte ich das nicht für die richtige Aussage".
Merz: "Bundestag ist kein Zirkuszelt"
Die Beauftragte der Bundesregierung für die Akzeptanz sexueller und geschlechtlicher Vielfalt, Sophie Koch (SPD), sagte ZDFheute.de (externer Link), queere Menschen seien "fester Bestandteil unserer Gesellschaft" und die Regenbogenfahne auf dem Bundestag wäre "ein kraftvolles Bekenntnis des Staates" zu deren Schutz gewesen. "Ein Verständnis dafür wäre für einen Bundeskanzler angemessen."
Merz hatte sich am Dienstag in der ARD-Sendung "Maischberger" hinter die Entscheidung seiner Parteikollegin und Bundestagspräsidentin Julia Klöckner (CDU) gestellt, in diesem Jahr beim Christopher Street Day (CSD) nicht die Regenbogenfahne auf dem Bundestag zu hissen. Der Bundestag sei "ja nun kein Zirkuszelt", auf dem beliebig die Fahnen gehisst werden könnten, sagte er. "Diese Entscheidung ist richtig."
Lesben- und Schwulenverband empört
Der Lesben- und Schwulenverband (LSVD) warf Merz vor, mit seiner Äußerung die queere Community zu verletzen. Dies sei eine "Entgleisung", sagte LSVD-Vorstand Andre Lehmann, ZDFheute.de. "Die Regenbogenfahne ist keine Zirkusplane, sondern ein universelles Symbol für Vielfalt und Menschenrechte", fuhr er fort. "Ich möchte den Bundeskanzler daran erinnern, dass er von einer Verfolgtengruppe des Nationalsozialismus spricht, die auch noch in der Bundesrepublik lange Zeit unterdrückt und kriminalisiert wurde".
In der Union fielen die Reaktionen unterschiedlich aus. Unionsfraktionschef Jens Spahn sagte dem "Tagesspiegel", der Bundeskanzler habe völlig Recht. "Diese tagelangen Symboldebatten dagegen tragen nichts zur Freiheit und Sicherheit von Schwulen und Lesben in Deutschland bei." Der Vorsitzende des Bundesverbands Lesben und Schwule in der Union (LSU), Sönke Siegmann, nannte die Wortwahl in der "taz" indes "unglücklich". Darüber werde man mit dem Kanzler persönlich sprechen, es gebe bereits einen Termin.
Im Video: Umstrittene Merz-Aussage bei "Maischberger"
Merz verteidigt Klöckners Nein zur Regenbogenfahne am Bundestag.
Grüne bescheinigen Merz "Fettnapf-Talent"
Grünen-Fraktionschefin Britta Haßelmann bescheinigte Merz ein "Talent, von Fettnapf zu Fettnapf zu gehen und dabei Menschen vor den Kopf zu stoßen". Der Bundestag sei das Parlament der Bürgerinnen und Bürger und die Regenbogenfahne repräsentiere eine Gruppe, "die vermehrt von Anfeindungen, Gewalt und Hass betroffen ist", schrieb sie im Internetdienst X. "Friedrich Merz könnte sich für Vielfalt, Selbstbestimmung und die Wahrung demokratischer Grundrechte einsetzen, statt diese Werte lächerlich zu machen."
Auch Linken-Fraktionschefin Heidi Reichinnek bezeichnete Merz' Worte als "völlig unangemessen". Seit Jahren steige die Gewalt gegen queere Menschen und die Union "verweigert nun auch noch einen symbolischen Akt und zieht den Kampf um Sichtbarkeit ins Lächerliche", sagte sie ZDFheute.de. Der queerpolitische Sprecher der Linksfraktion, Maik Brückner, sagte: Es stimme zwar, dass der Bundestag kein Zirkus sei, "dafür haben wir einen Clown als Kanzler".
Der CSD in Berlin findet Ende Juli statt. Zuletzt wurde auch bekannt, dass Mitarbeitende der Bundestagsverwaltung nicht als eigene Gruppe daran teilnehmen dürfen.
Bayerischer Landtag hisste Regenbogenfahne zum CSD
Bayerns Landtagspräsidentin Ilse Aigner (CSU) hatte anders als Klöckner entschieden: Am Samstag wehte die Regenbogenfahne erneut vor dem Landtag. "Sie steht für Offenheit, sie steht für Toleranz, und sie steht für Vielfalt und auch für Akzeptanz für queere Menschen", sagte Aigner dem BR. Die Entscheidung Klöckners wollte sie nicht kommentieren.
Auch Ministerpräsident Markus Söder (CSU) meldete sich bei X mit einem entsprechenden Bild zu Wort und betonte: "Zum Christopher Street Day in München wehen auch dieses Jahr wieder Regenbogenflaggen bei uns." In München hatten am Samstag Hunderttausende an der traditionellen CSD-Demonstration für die Rechte queerer Menschen teilgenommen.
Mit Informationen von dpa und AFP
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