Vizekanzler Lars Klingbeil (SPD) schließt eine Rückkehr zur Wehrpflicht zwar aus. "Wir müssen aber jetzt schon die Voraussetzungen dafür schaffen, dass auch verpflichtend eingezogen werden könnte", sagte Klingbeil der "Neuen Berliner Redaktionsgesellschaft". "Aber es wird keine Rückkehr zur alten Wehrpflicht geben, bei der alle jungen Männer eines Jahrgangs eingezogen werden", sagte der SPD-Chef.
Koalitionsvertrag setzt zunächst auf Freiwilligkeit
Laut dem schwarz-roten Koalitionsvertrag soll ein neuer Wehrdienst geschaffen werden, "der zunächst auf Freiwilligkeit basiert". Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) hatte zuletzt deutlich gemacht, dass die vereinbarte Freiwilligkeit nur gilt, wenn der Bedarf an Soldaten auf diesem Weg gedeckt werden kann. Unionsfraktionschef Jens Spahn plädiert dafür, die Voraussetzungen für einen möglichen Pflichtdienst in der Bundeswehr vorsorglich zu schaffen.
Frei dringt auf baldige Entscheidung über Wehrpflicht
Kanzleramtschef Thorsten Frei (CDU) dringt derweil auf eine baldige Entscheidung darüber, ob die angestrebte Vergrößerung der Bundeswehr über Freiwilligkeit oder nur über die Rückkehr zur Wehrpflicht erreichbar ist. "Wir haben nicht die Zeit, bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag zu warten", sagte der CDU-Politiker in einem Interview der Deutschen Presse-Agentur (dpa). Die schwarz-rote Koalition müsse eine klare Verabredung treffen, "wann wir unsere Strategie verändern müssen, damit wir das allseits für notwendig erkannte Ziel auch erreichen können".
Pistorius: 50.000 bis 60.000 aktive Soldaten mehr nötig
Nach Einschätzung von Verteidigungsminister Boris Pistorius benötigt die Bundeswehr 50.000 bis 60.000 aktive Soldaten mehr, um der Bedrohung aus Russland gerecht zu werden. Derzeit gehören der Truppe etwas mehr als 180.000 Soldaten an. Die Zielgröße liegt heute bei 203.000 Soldaten. Doch selbst die konnte bisher nicht über die freiwillige Rekrutierung erreicht werden.
Frei hält es für nur schwer vorstellbar, dass die nun von Pistorius angestrebten 230.000 bis 240.000 Soldaten über einen freiwilligen Wehrdienst erreicht werden können, wie er im Koalitionsvertrag vorgesehen ist. Man müsse sich nun zunächst darauf verständigen, bis wann die neue Zielgröße erreicht werden soll, sagte Frei. "Und dann muss man sich überlegen: Wie viel Zeit können wir uns lassen, dieses Ziel auf freiwilliger Basis zu erreichen? Meine persönliche Einschätzung ist, dass wir dafür eigentlich so gut wie gar keine Zeit haben, denn die Bedrohungslage ist enorm."
Frei widerspricht SPD-Fraktionschef Miersch
Die Wehrpflicht für Männer war 2011 nach 55 Jahren ausgesetzt worden. SPD-Fraktionschef Matthias Miersch interpretiert die im Koalitionsvertrag angestrebte Freiwilligkeit beim Wehrdienst, dass es keine Wiedereinführung der Wehrpflicht vor der nächsten Bundestagswahl geben werde.
Frei sagte der dpa, dass das den Absprachen in den Koalitionsverhandlungen widerspreche und sich auch nicht mit den Aussagen von Verteidigungsminister Pistorius (SPD) decke. Wenn der wunschgemäße Weg der Freiwilligkeit nicht zum Ziel führe, "dann entspricht es doch nur dem gesunden Menschenverstand, dass man nach einem anderen Weg sucht".
Mit Informationen von dpa
Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.
"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!