Friedrich Merz ist "Doch-noch-Kanzler". Doch noch. Diese beiden Worte begleiten den CDU-Politiker durch seine gesamte Laufbahn. 2002 hatte er im Machtkampf gegen Angela Merkel keine Chance, 2018 und 2021 zog er im Kampf um den CDU-Vorsitz zweimal den Kürzeren. Und jetzt verweigerte ihm die eigene Koalition im ersten Wahlgang zum Bundeskanzler die erforderliche Mehrheit.
Merz' krachendste Niederlage
Die krachendste in der Reihe der Merz'schen Niederlagen, weil sie nicht nur ihn selbst beschädigt, sondern das ganze Land. Weil sie die neue Bundesregierung gehandicapt ins Rennen schickt. In einer Situation, in der viele die Geschlossenheit geradezu beschworen haben. Umsonst. Mögliche Gründe für die 18 abweichenden Voten im ersten Wahlgang gibt es viele. Nicht alle liegen in der Person Merz.
Vielfältige Gründe für Ablehnung
Aber unter den SPD-Abgeordneten sind dem Vernehmen nach durchaus einige, die Merz vor allem seine Abstimmung mit der AfD zur Migration nach wie vor enorm verübeln. Und in den Unionsreihen rümpfen nicht nur manche über die Personalentscheidungen des Parteivorsitzenden Merz die Nase, bei denen er den Proporzgedanken außen vor ließ und dazu auch noch Wirtschaftsmanager statt Parteikolleginnen ins Kabinett rief.
Machtfülle Klingbeils
Viele haben auch die Kehrtwende in der Schuldenpolitik nach der Wahl noch nicht wirklich verdaut. Genauso aber gibt es auf Seiten der Sozialdemokraten Unmut – inhaltlich über die geplante Abschaffung des Bürgergelds und vor allem die Steuerpolitik. Persönlich: Richtung Lars Klingbeil, der vom Wahlabend weg – trotz des schlechtesten Wahlergebnisses seiner Partei in der Geschichte – eine Machtfülle für sich in Anspruch genommen hat, wie sie wohl noch kein SPD-Chef zuvor inne hatte und diese bei der Postenbesetzung durch die Nominierung enger Gefolgsleute aus Sicht vieler Genossen gleich mal auf die Spitze getrieben hat.
Überzeugung für Koalition fehlt
Gründe für ein abweichendes Votum im ersten Wahlgang gibt es also viele. Und es wäre viel zu kurz gegriffen, nur zu sagen, die Fraktionschefs müssen jetzt ihre Leute in den Griff bekommen. Nein, es geht um viel mehr. Sie müssen die eigenen Leute noch von dieser Koalition überzeugen. Denn der Koalitionsvertrag ist in vielen Punkten bewusst vage gehalten, was viel Interpretations- und Diskussionsspielraum lässt oder, um es anders zu sagen: viel Streitpotenzial in sich birgt. Der Start der Koalition mit der verpatzten Kanzlerwahl lässt dahingehend nichts Gutes vermuten.
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