Die Bundesvorsitzenden der AfD Alice Weidel und Tino Chrupalla während einer Pressekonferenz
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Die Medien und die AfD - hier in Form der Bundesvorsitzenden Alice Weidel und Tino Chrupalla - haben ein schwieriges Verhältnis zueinander

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Medien und AfD: Hinschauen, berichten, aber kein Forum bieten

Medien und AfD: Hinschauen, berichten, aber kein Forum bieten

Wie umgehen mit der rechtsextremen AfD? Diese Frage beschäftigt nicht nur die demokratischen Parteien, sondern auch die Medien. Ein Patentrezept gibt es nicht, sagt der Politikwissenschaftler Gideon Botsch im Interview mit BR24 Medien.

Über dieses Thema berichtet: BR24 Medien am .

Medien werden als Lügenpresse oder Systemknechte verunglimpft, Journalisten wird der Zugang zu Parteiveranstaltungen verwehrt, offen wird die Abschaffung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks gefordert, dazu kommen Beleidigungen und körperliche Angriffe. Für die AfD und ihr Umfeld sind Medienmacher oft Feinde. Journalistinnen und Journalisten tun sich schwer, einen angemessenen Umgang mit der Partei zu finden.

Nicht berichten, ist keine Option

"Man wird sich eingestehen müssen, dass es ein Dilemma ist", sagt Gideon Botsch, Leiter der Emil Julius Gumbel Forschungsstelle Antisemitismus und Rechtsextremismus an der Universität Potsdam. "Nicht berichten ist keine Option. Deshalb ist es wichtig, die Mechanismen zu verstehen, mit denen die AfD die Öffentlichkeit manipuliert. Ebenso wie auf Interviews gut vorbereitet zu sein." Denn die AfD setze regelmäßig auf eine "Überwältigungsstrategie": Stakkatohaft werden den fragenden Journalisten Behauptungen und angebliche Fakten entgegengeschleudert. Insbesondere in Live-Interviews sei es nahezu unmöglich, darauf angemessen zu reagieren, so Botsch: "Ein Gesprächspartner, der Sie überwältigen will, der wird Ihnen immer entgleiten, indem er auf andere Themen ausweicht und Sie mit Dingen konfrontiert, die Sie in dem Moment unmöglich wissen können."

Gegründet von Medienprofis

Botsch erinnert daran, dass die AfD maßgeblich von Medienprofis wie Alexander Gauland gegründet wurde, der von 1991 bis 2005 Herausgeber der Tageszeitung "Märkische Allgemeine" war. Auch im Umfeld der Partei tummelten sich Personen aus Journalismus und PR, die ihr Handwerk gelernt haben – etwa Götz Kubitschek, der Gründer des inzwischen aufgelösten rechtsextremen Think-Tanks "Institut für Staatspolitik", der als guter Bekannter des Thüringer Landeschefs Björn Höcke gilt. "Laut meinem Kenntnisstand war Kubitschek in seiner Zeit bei der Bundeswehr zumindest phasenweise Offizier in einer Einheit, die das betrieben hat, was man früher mal psychologische Kriegsführung nannte", so Botsch.

Provokationen und Grenzüberschreitungen

Erfolgreich arbeite die Partei mit ständigen Provokationen und Grenzüberschreitungen. Botsch berichtet von einem Plakat aus dem Brandenburger Landtags-Wahlkampf, darauf ein junger AfD-Kandidat mit einer Geste, die als Hitlergruß interpretiert werden konnte. "Ich gehe fest davon aus, dass er genau das wollte: Einerseits ein eindeutiges Signal senden an die rechtsextreme Stammwählerschaft, die das schenkelklopfend lustig findet, und zugleich ein Signal an eine Wählerschaft, die dann trotzig sagt: Jetzt hängen die uns wieder Nazitum an, nur weil wir da einen blonden Mann mit Scheitel abbilden."

Wichtige journalistische Recherche

"Es ist sehr wichtig, die Medienlogiken und Medienstrategien von Rechten und Rechtsradikalen zu durchschauen und diese nicht zu bedienen", sagt auch die Historikerin Barbara Manthe von der Universität Düsseldorf und verweist auf Negativbeispiele aus den 1970er Jahren. Damals zahlten Journalisten teilweise Geld an Neonazis, um über deren Aktionen zu berichten. Auch wenn die Berichte dann durchaus kritisch ausfielen, feierten die Neonazis sie als gelungene Medienarbeit. "Für die war das ein Triumph."

Das solle aber nicht heißen, dass Totschweigen die bessere Strategie sei, betont Manthe. Gerade was das Aufdecken rechtsextremer Strukturen im Untergrund angehe, hätten Journalisten immer wieder wertvolle Aufklärungsarbeit geleistet: "Ein Beispiel sind neonazistische Jugendverbände wie die 'Heimattreue deutsche Jugend' HDJ, die lange Zeit einfach machen konnten, was sie wollten." So enthüllte etwa die Journalistin Andrea Röpke, dass der frühere Chef der Brandenburger AfD, Andreas Kalbitz, an einem Pfingstlager der HDJ teilgenommen hatte. In der Folge wurde Kalbitz in der Partei kaltgestellt.

Genau hinschauen, was die Partei wirklich macht

Hinschauen, berichten, aber kein Forum bieten für rechtsextreme Propaganda, das fordert auch Gideon Botsch. Auf die Amtsübernahme der ersten AfD-Bürgermeister in ostdeutschen Kommunen sei teils hysterisch reagiert worden. "Mir fehlt die Berichterstattung über das, was diese Bürgermeister jetzt dort tun" Denn, wenn man genauer hinschaue, dann zeige sich vielerorts, dass die AfD – im Gegensatz zu ihrer Eigendarstellung – die Probleme vor Ort weder kenne noch verstehe. "Die 'Frankfurter Allgemeine Zeitung' hat kürzlich eine recht gute Reportage über das Auftreten der AfD im Land Brandenburg veröffentlicht – aber die Überschrift lautete: 'Die Partei der Kümmerer'. Und genau das ist die AfD im kommunalen Rahmen eben nicht."

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