30.10.2025, Türkei, Ankara: Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) geht neben Recep Tayyip Erdo·an (r), Präsident der Türkei, nach der Pressekonferenz nach den Gesprächen im Präsidialpalast. Merz hält sich zu seinem Antrittsbesuch in der Türkei auf. Foto: Michael Kappeler/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
30.10.2025, Türkei, Ankara: Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) geht neben Recep Tayyip Erdo·an (r), Präsident der Türkei, nach der Pressekonferenz nach den Gesprächen im Präsidialpalast. Merz hält sich zu seinem Antrittsbesuch in der Türkei auf. Foto: Michael Kappeler/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
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Kanzler Merz in der Türkei
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Merz bei Erdogan: Auf verhaltene Kritik folgt offener Streit

Merz bei Erdogan: Auf verhaltene Kritik folgt offener Streit

Bei seinem Antrittsbesuch in der Türkei hat Bundeskanzler Merz verhaltene Kritik an der innenpolitischen Lage in der Türkei geäußert. Beim Thema Gaza wurde dann klar: Merz und sein Amtskollege Erdogan trennt mehr als sie verbindet.

Über dieses Thema berichtet: BR24 im Radio am .

Lange war der Amtsantrittsbesuch von Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) in der Türkei beim türkischen Präsident Recep Tayyip Erdogan weitestgehend harmonisch verlaufen. Doch dann lieferten sich beide bei ihrem Treffen in Ankara eine offene Auseinandersetzung über den Gaza-Konflikt. Während Merz sich klar an die Seite Israels stellte, warf Erdogan dem Land bei einer gemeinsamen Pressekonferenz erneut "Völkermord" vor. Israel habe trotz des Waffenstillstands wieder Ziele in Gaza angegriffen. "Sie greifen Gaza nicht nur an, sondern waren stets darauf bedacht, Gaza mit Hunger und Genozid gefügig zu machen und das dauert immer noch an", sagte Erdogan in Ankara.

Israel: Merz sieht Selbstverteidigung – Erdogan "Völkermord"

Erdogan widersprach damit ausdrücklich dem Kanzler, der auf die Frage eines türkischen Journalisten antwortete: "Israel hat von seinem Recht auf Selbstverteidigung Gebrauch gemacht und es hätte nur einer einzigen Entscheidung bedurft, um auch die zahllosen unnötigen Opfer zu vermeiden." Die islamistische Hamas hätte die Geiseln früher freilassen sollen und die Waffen niederlegen müssen. "Dann wäre dieser Krieg sofort zu Ende gewesen." Israel sei ein Zufluchtsort für Millionen Jüdinnen und Juden geworden - viele, die den Holocaust überlebt hätten. "Deswegen wird es immer so sein, dass Deutschland fest an der Seite des Staates Israel steht."

Erdogan sagte daraufhin: "Bei einem Punkt kann ich dem Herrn Kanzler leider nicht zustimmen." Die Hamas habe keine Nuklearwaffen und keine Bomben, aber Israel verfüge über all diese Waffen und habe Gaza trotz des Waffenstillstands wieder bombardiert. Die Türkei verfügt über gute Kontakte zur islamistischen Terrororganisation Hamas. Bei der Vermittlung der Waffenruhe im Gazastreifen vor gut zwei Wochen hatte Ankara eine wichtige Rolle gespielt. Die damals besiegelte Waffenruhe ist inzwischen brüchig.

Merz würdigt Türkei als strategischen Partner

Der Antrittsbesuch des Kanzlers war eigentlich darauf ausgelegt, neue Harmonie ins deutsch-türkische Verhältnis zu bringen. Erstmals wurde der Kanzler von seiner Ehefrau Charlotte zu einem rein bilateralen Besuch im Ausland begleitet.

In der Pressekonferenz warb der Kanzler zunächst auch eindringlich für die Vertiefung der beiderseitigen Beziehungen. "Als Deutsche und als Europäer müssen wir unsere strategischen Partnerschaften ausbauen. Und dabei führt kein Weg an einer guten und vertieften Partnerschaft mit der Türkei vorbei", sagte er. "Lassen Sie uns das enorme Potenzial unserer Beziehungen in den kommenden Monaten und Jahren noch besser nutzen", so Merz.

Merz sicherte Erdogan deutsche Unterstützung bei der angestrebten EU-Mitgliedschaft der Türkei zu. "Ich sehe persönlich und die Bundesregierung sieht die Türkei eng an der Seite der Europäischen Union. Wir wollen den Weg nach Europa weiter ebnen." Er setze sich auch für einen strategischen Dialog mit der Türkei auf europäischer Ebene ein. Von türkischen Analysten wurde das als neue Tonlage bei diesem Thema gewertet. Merz wies aber zugleich auf die Kopenhagener Kriterien für eine Aufnahme in die EU hin, die unter anderem die Aufrechterhaltung von Rechtsstaatlichkeit und den Schutz der Menschenrechte vorsehen. 

Merz spricht Thema Rechtsstaatlichkeit bei Erdogan an

Auch bei diesem Thema brachen die Differenzen auf. In seinen Gesprächen mit Erdogan habe er Besorgnis über die Unabhängigkeit der Rechtssprechung geäußert, sagte Merz nur kurz. Nach Einschätzungen von Menschenrechtlern hat der Druck auf unabhängige Medien, kritische Stimmen und Oppositionsparteien in der Türkei in den zurückliegenden Monaten einen neuen Höhepunkt erreicht.

Erdogan ging auf eine Journalistenfrage hin deutlich ausführlicher auf die Inhaftierung des abgesetzten Istanbuler Bürgermeisters und populären Oppositionspolitikers Ekrem Imamoglu ein und verteidigte das Vorgehen der Justiz: "Egal welches Amt man innehat, sobald jemand die Justiz mit Füßen tritt, müssen die Justizorgane in einem Rechtsstaat eben das tun, was notwendig ist."

Imamoglu war im März wegen Korruptionsvorwürfen verhaftet und abgesetzt worden. Er ist seitdem ohne Anklage in Untersuchungshaft. Kurz vor dem Besuch des Bundeskanzlers war bekanntgeworden, dass gegen den Politiker der größten Oppositionspartei CHP erneut ein Haftbefehl wegen Spionage erlassen wurde. Imamoglus Festnahme hatte die größte Protestwelle in der Türkei seit den Gezi-Protesten im Jahr 2013 ausgelöst.

Mit Informationen von dpa

Im Video: Merz verteidigt Israels Vorgehen im Gazastreifen

Merz verteidigt Israels Vorgehen im Gazastreifen
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Merz verteidigt Israels Vorgehen im Gazastreifen

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