Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) hat in der Generaldebatte im Bundestag den verschärften Kurs seiner schwarz-roten Regierung in der Migrationspolitik verteidigt. Nötig sei "eine nachhaltige Reduzierung" der Migration, "um den inneren Frieden in unserem Lande wieder herzustellen".
Merz wirft AfD Stimmungsmache vor
Merz reagierte auf massive Kritik von AfD-Chefin Alice Weidel. Offenbar habe Weidel nicht bemerkt, dass die Asylzahlen im ersten Halbjahr um 43 Prozent zurückgegangen seien, erwiderte der Kanzler. Seine Regierung werde "dieses Problem lösen und Ihnen nicht die Freude machen, es zu erhalten. Denn Sie leben davon, dass sie ständig nur mit diesem Thema in Deutschland Stimmung machen können". Die AfD werde jetzt "ihr politisches Kampfthema los, dem Sie Ihre Existenz verdanken."
Merz dankte dem Koalitionspartner SPD, dass dieser wichtige Entscheidungen zur Reduzierung der Migration ermöglicht habe. Er nannte die Aussetzung des Familiennachzugs für Geflüchtete ohne Asylstatus, die Rücknahme der beschleunigten Einbürgerung und die Ausweitung der Regelungen bei sicheren Herkunftsstaaten. Durch die zeitlich begrenzten Zurückweisungen im Zusammenhang mit Binnengrenzkontrollen seien bereits "tausende illegale Einreisen" verhindert worden, sagte Merz.
Weidel sieht "gebrochene Wahlversprechen"
Die Generalaussprache über den Kanzleretat gilt eigentlich als Höhepunkt der Haushaltsberatungen im Bundestag. Traditionell wird sie von der größten Oppositionsfraktion eröffnet. Deswegen durfte Weidel als erste Rednerin auftreten. "Für die bitter enttäuschten Bürger sind Sie schon jetzt der Lügenkanzler, Herr Merz, dessen gebrochene Wahlversprechen ganze Kataloge füllen", sagte sie. Weidel warf Merz vor, dass die versprochene Stromsteuersenkung für alle zunächst nicht umgesetzt wird. Schwarz-Rot beruft sich auf den Finanzierungsvorbehalt im Koalitionsvertrag.
Bei der Migrationspolitik sprach Weidel von "Schaufensterübungen". Die veranlassten Grenzkontrollen seien mangelhaft, die Einschränkungen beim Familiennachzug "homöopathisch". Weidel zeichnete ein düsteres Bild des Landes und erwähnte Messerangriffe, Sexualdelikte, Übergriffe in Freibädern und schlechte Zuständen an Schulen. "Die Islamisierung schreitet rasend und aggressiv voran", sagte sie.
Bundestagspräsidentin Julia Klöckner (CDU) ermahnte Weidel später wegen Zwischenrufen während der Rede von CDU/CSU-Fraktionschef Jens Spahn und drohte ihr mit Rauswurf aus dem Plenarsaal. "Wir zwei diskutieren hier nicht", sagte Klöckner. "Sonst können Sie den Saal hier verlassen."
SPD-Fraktionschef fordert AfD-Verbotsverfahren
SPD-Fraktionschef Matthias Miersch sprach sich nach Weidels Rede für ein AfD-Verbotsverfahren aus. Der AfD-Fraktionschefin warf er Rassismus vor: "Wie kann man so eiseskalt, so hasserfüllt als Mensch eine solche Rede halten, wie Sie das eben getan haben? Sie haben von 'der Transformation des Staatsvolkes' gesprochen. Das erinnert mich an alte Zeiten, wo es um Rassenlehre ging."
Merz wies in seiner Erwiderung auf Weidel die "pauschale und undifferenzierte Herabwürdigung der Arbeit der neuen Bundesregierung mit aller Entschiedenheit" zurück. Er warf Weidel vor, eine "rein nationalistische Rede" gehalten zu haben. "Halbwahrheiten, üble Nachrede und persönliche Herabsetzungen muss auch in einer Demokratie niemand unwidersprochen einfach hinnehmen."
Im Video: Generaldebatte im Bundestag – Merz gegen Weidel
Im Video: Generaldebatte im Bundestag – Merz gegen Weidel
Dröge: "Bankrotterklärung beim Klimaschutz"
Grünen-Fraktionschefin Katharina Dröge warf dem Bundeskanzler in der Generaldebatte "eine Bankrotterklärung" beim Klimaschutz vor. "Auch Sie haben eine Verantwortung für künftige Generationen", sagte Dröge an Merz gewandt mit Blick auf den Klimawandel. Stattdessen mache der Kanzler eine Politik, dass er auch gleich sagen könne: "Wir wollen den Planeten brennen sehen."
Linken-Fraktionschefin Heidi Reichinnek attestierte dem Bundeskanzler, Politik für Reiche zu machen, auf Bedürftige aber zugleich einzutreten. "Sie kehren den Menschen in diesem Land den Rücken zu und machen Politik gegen deren Interessen", sagte Reichinnek. Im Haushalt fehle Geld für Gesundheit, bezahlbaren Wohnraum, öffentlichen Nahverkehr und Sozialleistungen wie Bürgergeld und Elterngeld. Reichinnek wandte sich erneut gegen die massive Erhöhung der Verteidigungsausgaben.
Bürokratie, Genehmigungen, Bürgergeld – und Schulden
In seiner Rede sprach Merz auch über andere Themen als Migration. Er kündigte einen verstärkten Bürokratieabbau für Landwirtschaft und Unternehmen an. Genehmigungsverfahren für Windenergieanlagen, Wasserstoffinfrastruktur und Wärmepumpen sollen beschleunigt werden. Die in der Koalition vereinbarte Reform des Bürgergelds stellte der Kanzler ebenfalls in Aussicht. Man wolle eine Grundsicherung schaffen "für diejenigen, die unseren Sozialstaat wirklich brauchen", sagte er.
Die Aufnahme hoher Schulden für Investitionen in Deutschland verteidigte Merz. "Wir entscheiden uns für diesen Weg, weil wir der Überzeugung sind, dass nur so nach den vergangenen Jahren es möglich ist, dass in Deutschland wieder investiert wird, dass in Deutschland Arbeitsplätze erhalten bleiben, dass neue Arbeitsplätze entstehen können", sagte er.
Die neue Regierung von Union und SPD startete am 6. Mai und ist inzwischen 65 Tage im Amt. "Wir haben viel angepackt, wir haben einiges erreicht, aber es bleibt noch sehr viel zu tun", sagte Merz. Schwarz-Rot wolle allen Menschen in Deutschland den Mut und die Zuversicht vermitteln, dass es sich lohne in diesem Land zu arbeiten – und es ein großes Glück sei, hier in Frieden und Freiheit zu leben.
Mit Informationen von AFP, dpa und Reuters
Anmerkung der Redaktion: Im Video über dem Artikel heißt es bei Minute 1:45 "Die Stromsteuer für alle kommt nicht." Richtig ist: "Die Stromsteuersenkung für alle kommt nicht."
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