Frank-Walter Steinmeier hat es eilig an diesem Montag. Noch vor neun Uhr erreicht eine Mail aus dem Bundespräsidialamt die Postfächer der Hauptstadtjournalisten – mit einem Glückwunschschreiben an den Sieger der polnischen Präsidentschaftswahl. Die Freundschaft beider Länder sei ihm "ein Herzensanliegen", so der Bundespräsident. Mit Blick auf den Zweiten Weltkrieg fügt er hinzu: "Deutschland weiß um seine immerwährende Verantwortung für das große Leid, das Deutsche über Polen gebracht haben."
Schon diese Zeilen zeigen, dass die wechselvolle Geschichte das bilaterale Verhältnis nach wie vor prägt. "Umso dankbarer sind wir, dass Polen und Deutschland heute als enge Partner in der Europäischen Union und der Nato Seite an Seite stehen", wie es in dem Schreiben heißt. Allerdings lagen Berlin und Warschau in den Jahren der PiS-geführten Regierung immer wieder über Kreuz – wegen antideutscher Töne der polnischen Nationalkonservativen und deren Umbau der Justiz. Und mit Karol Nawrocki hat jetzt ein Politiker die Präsidentschaftswahl im Nachbarland knapp gewonnen, der der PiS nahesteht.
Wahl in Polen: Bundesregierung "weder überrascht noch erfreut"
Dessen ungeachtet bemüht sich die Bundesregierung, den Eindruck von Routine zu erwecken. Der Bundespräsident habe dem künftigen polnischen Staatsoberhaupt gratuliert, wie das protokollarisch üblich sei, sagt Regierungssprecher Stefan Kornelius. Der Kanzler habe sich dem angeschlossen. Die Bundesregierung sei angesichts des Wahlergebnisses "weder überrascht noch erfreut", fügt Kornelius hinzu. Die polnischen Wähler hätten entschieden – und das nehme man zur Kenntnis.
Ähnlich äußert sich Florian Hahn, Staatsminister im Auswärtigen Amt. "Wir respektieren die souveräne Entscheidung der Polen voll und ganz", so der oberbayerische CSU-Politiker auf BR24-Anfrage. Eine enge Abstimmung mit dem Nachbarland bleibe "essenziell" für die Zusammenarbeit im westlichen Bündnis. Der Staatsminister und der Regierungssprecher weisen darauf hin, dass Friedrich Merz gleich nach Amtsantritt nach Warschau gereist sei und damit die "Bedeutung dieser Beziehung" verdeutlicht habe.
Kritik an Merz bei Warschau-Besuch
Allerdings hatte der polnische Ministerpräsident Donald Tusk die Grenzpolitik der neuen Bundesregierung beim Besuch von Merz deutlich kritisiert. Zu Zurückweisungen von Asylbewerbern sagte er: "Deutschland wird in sein Gebiet lassen, wen es will. Polen wird nur in sein Gebiet lassen, wen es akzeptiert."
Aus Sicht von Tusk sollte ungeregelte Einwanderung in erster Linie an den europäischen Außengrenzen bekämpft werden – und nicht innerhalb der Europäischen Union. Dass der deutsche Vorstoß in den polnischen Präsidentschaftswahlkampf platzte, kam dem EU-Anhänger Tusk offensichtlich ungelegen.
Brugger: "Voll in die Kerbe der Anti-Europäer geschlagen"
Und so befürchten in Berlin manche, dass die Grenzpolitik von Schwarz-Rot den Europa-Skeptikern in Polen in die Hände gespielt haben könnte. Das macht die Grünen-Abgeordnete Agnieszka Brugger deutlich, deren Geburtsort in Polen liegt. Die Ausweitung der Grenzkontrollen habe "voll in die Kerbe der Anti-Europäer geschlagen", sagt Brugger auf BR24-Anfrage. Das Wahlergebnis zeige, wie gespalten die polnische Gesellschaft sei.
Nach etwaigen Folgen von Grenzkontrollen und Zurückweisungen für die polnische Innenpolitik gefragt, winkt der Regierungssprecher in Berlin ab: "Ich habe keine Erkenntnisse, dass diese Politik die Wahl in irgendeiner Weise beeinflusst hat." Auch wenn man wahrgenommen habe, dass dies ein Thema im polnischen Wahlkampf war, so Kornelius.
AfD begrüßt Wahlsieg von Nawrocki
Die AfD im Bundestag reagiert erfreut auf den Wahlsieg des polnischen Nationalkonservativen. Fraktionsvize Beatrix von Storch schreibt im Internet: "Das war ein guter Tag für die Demokratie und für Europa."
Wie sich das Wahlergebnis auf die Beziehungen zum Nachbarland auswirkt, wird sich nach dem Amtsantritt von Nawrocki im August zeigen. Der Bundespräsident hat seinen künftigen polnischen Kollegen schon jetzt nach Berlin eingeladen. In der Hoffnung auf "eine gute deutsch-polnische Zusammenarbeit".
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