Was es im Ernstfall bedeutet, Soldat zu sein, hat André Hassan Khan vor Jahren erfahren. Der Oberstabsfeldwebel war etliche Male in Afghanistan, als Sensorbediener für Aufklärungsdrohnen. Eigentlich eine faszinierende Aufgabe, wie er sagt. Doch dann kam der Tag, an dem die Drohne schreckliche Bilder zuhauf lieferte.
"Ein afghanisch betriebenes Camp wurde angegriffen", erinnert sich der 48-Jährige im Gespräch mit BR24. Er wurde Zeuge eines Terroranschlags – die Taliban versuchten damals bereits, mit aller Macht das Land zurückzuerobern. "Wir haben tatsächlich stundenlang einem Massaker zugeschaut."
Afghanistan-Einsatz: Veteran berichtet von Trauma
Die Aufnahmen der vielen Toten ließen ihn nicht mehr los. Hassan Khan entwickelte eine posttraumatische Belastungsstörung, brauchte ärztliche Hilfe. Inzwischen ist der Berufssoldat aus Schleswig-Holstein bei der Luftwaffe tätig.
Den nationalen Veteranentag an diesem Sonntag nennt er einen riesigen Schritt. Hin zu einem geschärften Bewusstsein für die Bedeutung der Armee und derer, die dort Dienst tun. Das sieht der Wehrbeauftragte des Bundestags genauso: "Das wird ein guter Tag", sagt der CDU-Politiker Henning Otte BR24. Aus seiner Sicht geht es darum, den Soldatinnen und Soldaten die nötige Wertschätzung zu geben. "Weil sie […] bereit sind, Leib und Leben für Frieden und Freiheit einzusetzen."
Früher nur "freundliches Desinteresse" an Bundeswehr
Über Jahre hat sich in Deutschland kaum jemand für die Bundeswehr interessiert. Von einem "freundlichen Desinteresse" sprach 2005 der damalige Bundespräsident Horst Köhler. Doch das ändert sich gerade. Mit Folgen für die Veteranenpolitik, wie Christian Weber deutlich macht. Er hat sich in seiner Doktorarbeit mit dem Thema beschäftigt und ist Vorsitzender der "Liberalen Soldaten", einem FDP-nahen Zusammenschluss.
"Natürlich ist Sicherheitspolitik – gerade seit dem Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine – noch viel stärker in der öffentlichen Wahrnehmung", sagt Weber. Und das gelte auch für die Aufgabe, die die Bundeswehr hat. Also die Landes- und Bündnisverteidigung.
Veteranentag als Ort der Begegnung
Im nationalen Veteranentag sieht der Reserveoffizier eine Möglichkeit für wichtige Diskussionen. Zum Beispiel darüber, was die Gesellschaft denjenigen schulde, die die Demokratie, wenn nötig, mit der Waffe verteidigen würden. Der Veteranentag als Ort der Begegnung: Das erhofft sich auch Oberstleutnant Tina Behnke. Sie war eine Zeit lang in Mali im Einsatz und arbeitet inzwischen bei der Bundesakademie für Sicherheitspolitik in Berlin. Nach ihren Worten gibt es noch zu wenig Kontakt zwischen Soldaten und Bürgern. "Und dafür ist der Veteranentag natürlich top geeignet", so die 39-Jährige.
Wer das Fest am Berliner Spreebogen besucht, kann durch ein sogenanntes Veteranendorf schlendern – mit Dutzenden Zelten. Dort sind die Teilstreitkräfte der Bundeswehr vertreten, die Militärseelsorge und viele Vereine: vom Soldatenhilfswerk bis "QueerBw", einer Vereinigung von nicht-heterosexuellen Menschen bei der Bundeswehr.
Auch ein Weltstar wird beim Veteranentag erwartet
Auf zwei Bühnen gibt es Musik – und unter anderem ein Interview mit einem Popsänger, der auch als Fotograf erfolgreich ist: Bryan Adams. Der Kanadier zeigt im Bundestag eine Ausstellung mit Bildern junger britischer Soldaten, die verwundet von Auslandseinsätzen zurückkamen.
Ziel der Veranstalter ist es, die Leistungen der Soldatinnen und Soldaten zu würdigen – der aktiven wie der ehemaligen. Denn sie alle fallen unter den offiziellen Veteranenbegriff. Dass dieser so weit gefasst ist, hat innerhalb der Bundeswehr zu Diskussionen geführt. In den Augen von Behnke sind solche Definitionsfragen aber nicht entscheidend.
Mali-Veteranin erinnert an Leistungen von Soldaten im Ahrtal
Im Kern gehe es darum, den besonderen Einsatz von Soldatinnen und Soldaten für Freiheit und Sicherheit anzuerkennen. Unabhängig von Fragen wie der, ob sie im In- oder Ausland eingesetzt wurden. So hätten beispielsweise im Ahrtal Soldaten unter Einsatz ihres Lebens Menschen aus den Fluten gerettet.
Allerdings stellt sich auch die Frage, ob ein einzelner Festtag mehr als ein symbolischer Akt sein kann – gerade im Hinblick auf die bestehenden Lücken bei der Ausrüstung der Truppe. "Natürlich ist das ein kleiner Widerspruch", sagt André Wüstner im ZDF-Interview, der Vorsitzende des Bundeswehrverbands. Die Politik müsse jetzt "Gas geben" und die "marode Infrastruktur" modernisieren.
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