Der Screenshot zeigt das Video, das sich unter anderem auf Twitter und Whatsapp verbreitet.
Bildrechte: BR
Bildbeitrag

Der Screenshot zeigt das Video, das sich unter anderem auf Twitter und Whatsapp verbreitet.

Bildbeitrag
>

#Faktenfuchs: Nein, es hat nicht in Mekka geschneit

#Faktenfuchs: Nein, es hat nicht in Mekka geschneit

Schneegestöber in Mekka? An der Kaaba, dem zentralen Heiligtum des Islams? Ein Video davon, wie muslimische Pilger in Saudi-Arabien angebliche Schneeflocken fangen, verbreitet sich auf Social Media. Es sieht echt aus, doch es ist ein Fake.

Wüste, Palmen, Kamele: Das sind die Bilder, die viele Menschen mit Saudi-Arabien verbinden. Wohl kaum jemand denkt an Schneegestöber. Entsprechend groß war die Überraschung, als sich spätestens ab dem Silvestertag 2022 ein Video zunächst auf Youtube, später in Ausschnitten dann auch über Whatsapp und andere soziale Netzwerke verbreitete. In dem Video, das sich später als Fake herausstellen sollte, sind Männer im traditionellen weißen Pilgergewand zu sehen, die augenscheinlich erstaunt im Schnee herumirren. Später taucht eine Frau in schwarzer Abaya auf, einem langem Überkleid, die so aussieht, als würde sie versuchen, die Schneeflocken mit den Händen zu fangen.

Auch in Bayern und Deutschland wird das Video Anfang Januar noch auf Whatsapp und über soziale Netzwerke verbreitet. Auf Twitter schreibt etwa am 1. Januar eine Frau - mit sarkastischem Bezug auf die Klimadebatte: "Heute in Mekka, Saudi-Arabien. Man sieht gleich die Klimaerwärmung, es schneite den ganzen Tag." Ein anderes Profil twittert: "Verdrehte Welt alles gute zum Schnee in Saudi Arabien? Oder sollte man das doch nicht wünschen. Zum ersten Mal in der Geschichte! Schnee-Apokalypse in Mekka!"

Video wirkt echt - ist aber Fake

Das Video sieht auf den ersten Blick echt aus. Das schwarz-weiß gemusterte Kopftuch einer Frau im Vordergrund wirkt, als würde es Schneespuren aufweisen. Überall fallen Schneeflocken, ein Mann läuft mit einem Regenschirm durchs Bild, ganz so, als würde er sich mangels besserer Ausrüstung vor dem ungewohnten Wetter schützen wollen. Und auch ansonsten sind die Bilder zwar überraschend, aber nicht völlig unplausibel. Denn Schnee ist in Saudi-Arabien zwar selten, hat es aber durchaus schon gegeben - zuletzt im Januar 2022 in Tabuk und Medina, zwei Städten nördlich von Mekka, die allerdings auch höher gelegen sind.

Doch diesmal sind die Social-Media-User einem Fake aufgesessen. Darauf deutet schon ein erster Plausibilitätscheck hin. Die Temperaturen in Mekka bewegten sich seit dem 31. Dezember 2022 meist deutlich über 20 Grad, wie sich etwa über die Wetterdatenbank "Time and Date" nachvollziehen lässt. Am Silvestertag stiegen sie tagsüber bis auf 28 Grad, es war sonnig, teils bewölkt.

Undenkbar, dass bei solchen Temperaturen Schnee fällt, sagt Andreas Friedrich, Pressesprecher des Deutschen Wetterdienstes dem #Faktenfuchs am Telefon. Es sei zwar denkbar, dass dies in höher gelegenen Regionen Saudi-Arabiens gelegentlich vorkomme. Bis zu etwa vier oder fünf Grad Celsius sei Schneefall grundsätzlich möglich. Für Mekka hält er das angesichts der Temperaturen in den vergangenen Tagen aber für ausgeschlossen.

Offizielle Stellen und lokale Medien haben den Fake widerlegt

Auch offizielle saudische Stellen haben den Fake bereits widerlegt. So twitterten etwa der offizielle Twitter-Account des Emirats der Provinz Mekka und ein Sprecher des saudischen Nationalen Meteorologischen Zentrums am Nachmittag des 1. Januars 2023, dass das Video ein Fake sei. Auch der offizielle Twitter-Account des Meteorologischen Zentrums hat die Nachricht retweetet.

Auf Deutsch übersetzt heißt es etwa in dem Tweet der Provinz Mekka: "Das kursierende Video vom Schneefall an der Großen Moschee ist gefälscht und wurde mit Spezialeffekten bearbeitet."

Als "Große Moschee" oder "Heilige Moschee" bezeichnen Muslime die zentrale Moschee in Mekka*, in deren Hof sich auch die Kaaba befindet. Jedes Jahr pilgern Millionen Muslime aus der ganzen Welt nach Mekka, um dort die Hadsch, die große Pilgerfahrt, zu vollziehen.

Dass es sich hierbei tatsächlich um den offiziellen Twitter-Account der Provinz Mekka handelt, davon ist auszugehen. Denn auch auf der offiziellen Webseite der Provinz wird auf diesen Twitter-Account verwiesen.

Auch die "Khaleej Times", eine der größten englisch-sprachigen Tageszeitungen im persischen Golf, und die "Saudi Gazette" berichteten in den vergangenen Tagen über den Fake.

Wie erklärt sich das Verhalten der Menschen?

Doch wenn das Video nachträglich bearbeitet wurde, warum verhalten sich die Menschen in dem Video dann so, als würden sie den Schnee genießen? Denkbar ist etwa, dass ein älteres Originalvideo überarbeitet wurde. Im Netz vermuten User, dass es darauf geregnet oder gehagelt haben könnte. Auf Youtube finden sich diverse Videos von Regen- und Hagelstürmen in Mekka. Und auch Medien berichteten, dass es im Dezember 2022 starke Regenfällen in Mekka gegeben habe.

Trotz aufwändigen Bilderrückwärtssuchen mit diversen Suchmaschinen konnte eine Übereinstimmung mit älterem Material vom #Faktenfuchs bisher allerdings nicht nachgewiesen werden. Wie genau das Fake-Video entstanden ist und wer dahinterstecken könnte, ist noch unklar.

Der grüne Regenschirm und das Verhalten der Menschen im Video ließen sich jedenfalls auch anders als mit Schneefall erklären: In der Vergangenheit hat die saudische Regierung immer wieder grüne Schirme an Pilgerreisende verteilen lassen - um sie vor der Sonne zu schützen (Belege finden sich etwa hier und hier). Und auch die erhobenen Hände, mit denen die Frau den Schnee aufzufangen scheint, könnten eine andere Ursache haben: Im persönlichen Bittgebet (Bilder davon finden Sie zum Beispiel hier) heben Muslime oft die Hände mit den geöffneten Handflächen nach oben. Es ist eine Geste, die in etwa dem christliche Händefalten entspricht.

Fazit: Über soziale Netzwerke verbreiten User ein Video von Schneegestöber an der Kaaba, der heiligen Pilgerstätte des Islams, in Mekka. Darauf ist zu sehen, wie Muslime in traditioneller Pilgerkleidung das ungewöhnliche Wetterphänomen zu fotografieren, mit den Händen nach den Schneeflocken zu greifen und sich mit einem Regenschirm provisorisch vor dem Schnee zu schützen scheinen. Das Video ist allerdings nicht echt. Das haben sowohl das saudische Nationale Meteorologische Zentrum als auch verschiedene lokale Nachrichtenmedien bestätigt.

*Disclaimer, 04.01.2023, 11.53 Uhr. In einer ersten Version dieses Artikels wurde die zentrale Moschee in Mekka als "Prophetenmoschee" bezeichnet. Diese befindet sich jedoch in Medina. Wir haben das ausgebessert.

Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.

"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!