Knapp vier Seiten füllt die Handreichung für Seelsorger, beschlossen und vorgelegt von der Deutschen Bischofskonferenz und dem Zentralkomitee der Deutschen Katholiken. Darin geht es um Segensfeiern für "Paare, die sich lieben". Der Text spricht von "nicht kirchlich verheirateten Paaren, geschiedenen und wiederverheirateten Paaren sowie Paaren in der ganzen Vielfalt sexueller Orientierungen". Ihnen allen ermöglichen die Bischöfe in dem Papier Segensfeiern.
Formlos hat wohl auch Papst Franziskus selbst gleichgeschlechtliche Paare gesegnet. Der verstorbene Papst billigte in seinem Schreiben "Fiducia supplicans" im Dezember 2023 erstmals Segnungen für nicht-verheiratete Paare, also auch für Homosexuelle.
Wie der Vatikan im Nachgang aber klarstellte, dürfe es dabei lediglich um eine – wie es hieß – "Angelegenheit von 10 oder 15 Sekunden" gehen. Und "keinesfalls" dürften diese Segnungen "einer liturgischen Feier ähneln".
Bricht die deutsche Handreichung mit der Vatikanvorgabe?
Die nun vorgelegte Handreichung der deutschen Bischöfe nennt diese Einschränkungen nicht. Das stößt auf Kritik. "Franziskus wollte auf den Einzelfall eingehen, auf den einzelnen Menschen – und deshalb eben keine allgemeinen Richtlinien", sagt Andreas Wollbold, Pastoraltheologe an der Ludwig-Maximilians-Universität München.
"Das ist im Grunde ein Gegensatz zum Erbe von Papst Franziskus." Auch der Zeitpunkt irritiert Wollbold: "Zwei Tage nach dem Tod des Papstes eine solche Handreichung zu veröffentlichen, die weit über das hinausgeht, was der Papst gewollt hat – das hat schon mehr als ein Geschmäckle." Auch, weil aus dem Vatikan durch die aktuelle Vakanz auf dem Stuhl Petri keine Reaktion zu erwarten sei.
Auf BR-Nachfrage teilte ein Sprecher der Deutschen Bischofskonferenz mit, dass der Veröffentlichungstermin der Handreichung "bereits vor einigen Wochen abgestimmt wurde". Ziel sei es gewesen, "den Diskussionsprozess innerhalb der Kirche konstruktiv zu begleiten und zugleich den Beteiligten in der Seelsorge eine praxisnahe Orientierung zu bieten".
Segensfeiern finden in München schon statt
Kirchenrektor Martin Stark von den Jesuiten in der Münchner Sankt Michaelskirche freut sich über die neue Handreichung der Bischöfe – die er nicht im Gegensatz zur Haltung des verstorbenen Papstes versteht: "Ich sehe es als eine Bestätigung, dass es möglich ist, in der Kirche Paare zu segnen, in welcher Lebenssituation auch immer – und so hab ich den Papst damals schon verstanden." Bei den Jesuiten in München finden Segensfeiern für alle, die sich lieben, schon lange statt.
Papst Franziskus hat wohl auch selbst gleichgeschlechtliche Paare gesegnet.
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