Der Gesetzesentwurf für das sogenannte Kinder-Kopftuchverbot hat den Ministerrat der österreichischen Regierung an diesem Mittwoch passiert und wurde an Gutachter weitergegeben. Sechs Wochen lang soll der Entwurf geprüft werden. Und dann, so hofft die österreichische Regierung, wird das Gesetz nicht wieder durch den Verfassungsgerichtshof aufgehoben, wie vor fünf Jahren.
Damals regierte die konservative Volkspartei ÖVP mit der rechtsnationalen FPÖ. Das Kopftuchverbot für Volksschülerinnen dieser Regierung galt als nicht gut genug begründet. Es wurde vom Gericht aufgehoben, wegen des Verstoßes gegen den Gleichheitsgrundsatz und gegen die Religionsfreiheit.
Zweiter Anlauf mit Begleitmaßnahmen
Mittlerweile regiert die ÖVP mit den Sozialdemokraten (SPÖ) und den liberalen NEOS. "Was haben wir dieses Mal anders gemacht? Wir haben ein klares Begleitmaßnahmengesetz, mit Kinderschutz- und Integrationsmaßnahmen. Dabei geht es unter anderem um Burschen-Arbeit und um Empowerment für die Mädchen", sagt die österreichische Integrationsministerin, Claudia Plakolm (ÖVP). Die muslimischen Jungen müssten in den Schulen aufgeklärt werden. Es dürfe nicht mehr vorkommen, dass sie die Mädchen unter Druck setzten und ihnen vorschrieben, wie sie sich zu kleiden hätten, so die Ministerin.
Gesetz soll Druck durch Väter und Brüder verhindern
Generell dürfe es an den Schulen keine Zwänge geben - und mit dieser Argumentation solle der Verfassungsgerichtshof überzeugt werden, so der SPÖ-Vorsitzende im österreichischen Parlament, Philip Kucher. "Der einzige Zwang, den es in der Schule geben darf, ist die Schulpflicht. Wir sehen aber, dass es Druck auf Mädchen gibt, meistens von Vätern, von Brüdern, von Familienmitgliedern und Gleichaltrigen. Mit dem Kopftuchverbot für Kinder verbieten wir Zwänge", sagt Kucher.
Die Argumente - Pro und contra
Das Kopftuchverbot für Kinder ist nicht unumstritten. In einer Talksendung, im österreichischen Fernsehsender "ServusTV", diskutierte die Geschäftsführerin von Amnesty International Österreich, Shoura Zehetner-Hashemi, mit dem Psychologen und Islamismus-Experten Ahmad Mansour. "Für uns ist der springende Punkt der staatliche Zwang. Diesen lehnen wir ab. So wie wir nicht wollen, dass Frauen im Iran gezwungen werden, das Kopftuch zu tragen, sollten wir Mädchen, die das nicht wollen, nicht dazu zwingen, das Kopftuch abzulegen. Denn das zieht einen Rattenschwanz an Konsequenzen nach sich", sagte Zehetner-Hashemi.
"Das finde ich unglaublich schwach", entgegnete Mansour empört. "Wir reden hier von Kindern. Es gibt keine theologische Argumentation dafür, dass Kinder ein Kopftuch tragen müssen. Wenn die Kinder lernen, dass ihre Haare Sexualobjekte sind, dann kann es keine normale Entwicklung geben. Das darf sich ein liberaler Staat nicht gefallen lassen", so Mansour.
Frankreich ist Vorreiter - und Deutschland?
In Frankreich gilt bereits ein ähnliches Kopftuchverbot. Es sei rechtens und eine Studie habe positive Veränderungen bei den Kindern gezeigt, so die österreichische Integrationsministerin Plakolm. In Deutschland gibt es trotz einer entsprechenden Debatte im Jahr 2018 kein grundsätzliches Kopftuchverbot. Nur in einzelnen Bundesländern wie etwa Berlin gibt es Kopftuchverbote für Lehrerinnen während des Unterrichts - wegen des Neutralitätsgebots öffentlicher Behörden.
Sanktionen: Bußgeld oder zwei Wochen Haft
Wenn das Kopftuchverbot für unter 14-jährige Mädchen in Österreich juristisch bestätigt wird, müssen Eltern bei Nichtbeachtung zwischen 150 und 1.000 Euro Strafe zahlen. Auch bis zu zwei Wochen Haft wären dann möglich.
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