Schülerinnen und Schüler der 10a legen ihre Hände auf einen Tisch
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Rechtsextreme Vertreibungspläne - fast alle Schülerinnen und Schüler der 10a wären betroffen.

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Rechtsextreme Vertreibungspläne: Jugendliche fühlen sich hilflos

Rechtsextreme Vertreibungspläne: Jugendliche fühlen sich hilflos

Das rechtsextreme Treffen, an dem auch Politiker von AfD und CDU teilgenommen haben, sorgt noch immer für Schlagzeilen. Es ging um einen Masterplan zur Vertreibung von Millionen von Menschen. Was das mit Jugendlichen mit Migrationshintergrund macht.

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Sie heißen Yousef, Enrique, Mara und Derin: In einer zehnten Klasse einer Münchner Mittelschule sprechen fast alle Kinder zu Hause - neben Deutsch - noch eine andere Sprache. Ihre Eltern stammen unter anderem aus Bosnien, Serbien, Tunesien, Afghanistan, der Türkei und den USA. Viele von ihnen haben einen deutschen Pass, andere wollen nach der Änderung des Staatsbürgerschaftsrechts bald einen beantragen. Von den sogenannten "Remigrations"-Plänen, also der von Rechtsextremisten geplanten Vertreibung von Menschen aus Deutschland, die das Recherchenetzwerk "Correctiv" [externer Link, möglicherweise Bezahlinhalt] aufgedeckt hat, wäre fast die komplette Klasse direkt betroffen.

"Ich kann auch nichts daran ändern"

Doch die Teenager, die außer im Zeitungsprojekt der Schule nur wenig Nachrichten verfolgen, zeigen sich erst einmal cool. "Meine Eltern kommen aus Tunesien. Und ich bin hier in Deutschland geboren, besitze auch den deutschen Pass. Ich habe keine Angst, abgeschoben zu werden", sagt ein Junge. "Und wenn doch: Tunesien ist auch ein schönes Land", fügt er fast schon trotzig hinzu. "Meine Familie hat einen Plan B, wir würden halt wieder nach Amerika ziehen, weil wir aus Amerika kommen", meint ein Mädchen. Ein anderer Schüler fände es zwar "scheiße, wenn andere abgeschoben werden. Aber es ist halt dann so. Ich kann jetzt auch nichts dran ändern."

Forscher: Viele Jugendliche hören, dass sie nicht dazu gehören

Für Joachim Langner vom Deutschen Jugendinstitut ist diese Haltung der Schülerinnen und Schüler nicht verwunderlich. "Wenn man immer wieder gesagt bekommt, dass man nicht dazu gehört, ist es nachvollziehbar, dass es den Jugendlichen schwerfällt, diese Perspektive der Zugehörigkeit in der Gesellschaft zu sehen und eigene Handlungsmöglichkeiten und Veränderungsmöglichkeiten auszuschöpfen", so der Islam- und Politikwissenschaftler, der zu antimuslimischem Rassismus forscht.

Integrations-Staatsministerin: "Viele sind einfach müde"

Auch Integrations-Staatsministerin Reem Alabali-Radovan (SPD) äußerte kürzlich in einem Interview mit dem digitalen Medienhaus "Table.Media" [externer Link, möglicherweise Bezahlinhalt] Verständnis für den Frust vieler Menschen mit Migrationsgeschichte. "Viele sind einfach müde von dem Kampf und dass sich so wenig geändert hat", sagte sie. Betroffene warnten bereits seit Jahren vor Rechtsextremismus und Rassismus. Nach der Mordserie des NSU und Anschlägen wie in Hanau und Halle hätten besonders migrantische Gruppen für Kundgebungen gegen Rechtsextremismus mobilisiert. "Viele haben das Gefühl, ihnen wurde nicht zugehört."

Bundesweit sind in den vergangenen Wochen Hunderttausende gegen Rechtsextremismus auf die Straße gegangen, auch in München. Von den Zehntklässlern war niemand bei der Demonstration. Die meisten wussten, wie sie sagen, gar nichts von den Protesten.

Forschung: Betroffene Jugendliche nehmen AfD als Gefahr wahr

Dabei zeigen Forschungsergebnisse, dass betroffene Jugendliche die AfD als Gefahr wahrnehmen, sagt der Politikwissenschaftler Langner. "Wir haben mit muslimischen Jugendlichen gesprochen, und die nehmen sehr deutlich Bedrohung durch Rechtsextremismus und auch konkret durch die AfD wahr." So nannten die Befragten etwa Konsequenzen für ihre Berufswahl, zum Beispiel, wenn Mädchen Kopftuch tragen und denken, dass das Kopftuch an bestimmten Arbeitsplätzen nicht akzeptiert werden könnte. Auch hätten viele Angst um die Sicherheit ihrer Familie.

Viele Schüler erleben im Alltag Rassismus

In einer Umfrage des Deutschen Zentrums für Integrations- und Migrationsforschung unter Betroffenen aus dem Jahr 2021 gaben 58 Prozent der Befragten an, dass sie selbst schon einmal rassistisch behandelt wurden.

Auch viele der Jugendlichen in der 10a haben schon Rassismus erfahren. Eine Schülerin erzählt, dass sie in der S-Bahn von jungen Frauen mit dem N-Wort beschimpft wurde. "Ich habe das einfach ignoriert. Aber ich war schon traurig darüber", erzählt sie. "Das passiert voll oft." Von den umstehenden Fahrgästen habe niemand reagiert. "Die haben mich einfach angeschaut und gar nichts gesagt." Warum sie nichts gesagt oder um Hilfe gebeten habe? "Ich wollte nicht, dass die Lage eskaliert." Und ihr Klassenkamerad meint: "Was bringt es, sobald sie aus der S-Bahn aussteigt, wird sie wieder sowas hören." Ein anderer Junge erzählt, dass er schon mehrmals angeschrien wurde, als er in der U-Bahn oder im Bus mit seinen Eltern telefonierte. "Die (Menschen) sagen dann, dass ich Deutsch reden soll, weil ich in Deutschland lebe." Solche Angriffe gebe es immer häufiger.

Grafik: Wurden Sie selbst schon einmal rassistisch behandelt?

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Im Jahr 2021 gaben 58 Prozent der Befragten an, dass sie selbst schon einmal rassistisch behandelt wurden.

Ähnliches erzählt auch der 13-jährige Zissis aus dem Multikulturellen Jugendzentrum im Westend. "Wenn ich mit meinen Freunden rausgehe, sprechen wir immer Griechisch. Wir werden oft angeschrien und beleidigt. Ich selber habe schon vieles erlebt." Zissis hörte in der Schule von den Vertreibungsfantasien: "Als ich das erste Mal davon erfahren habe, war ich etwas panisch. Ich besuche eine griechische Schule und wir hatten alle etwas Angst."

Demos stimmen junge Frau hoffnungsvoll

Elmena, deren Eltern vor 30 Jahren aus Bosnien geflüchtet sind, hofft, dass alle Menschen, die auf den Demonstrationen waren, zur nächsten Wahl gehen. "Das waren so viele Menschen, die könnten die AfD überstimmen", sagt die 18-Jährige. "Und wenn man dann die Sicherheit hat. Ja, diese Leute werden wählen gehen, dann hätte ich zumindest die Sicherheit: Ja, ich werde auf jeden Fall in diesem Land bleiben können. Es wäre unvorstellbar für mich, wenn wir wieder nach Bosnien zurückgehen müssten", sagt die junge Frau, die ihr ganzes Leben in Deutschland verbracht hat. Die 18 Jahre alte Leyla findet: "Ein sehr großer Teil der Menschen in Deutschland hat Migrationshintergrund - irgendwie. Wie wollen die das denn machen? All die Leute wegschicken, dann funktioniert ja gar nichts mehr", sagt Leyla, deren Mutter aus Kasachstan stammt.

"Die Hälfte meiner Freunde wäre nicht mehr da"

Auch in der 10. Klasse der Münchner Mittelschule kommen die Jugendlichen langsam über die Konsequenzen der Vertreibungspläne der Rechtsextremisten ins Diskutieren. Das wäre eine Katastrophe für die Wirtschaft, findet ein Teenager. "Deutschland wäre nichts ohne Ausländer." Ein anderer meint, es wäre auch ziemlich schade, wenn es keinen Döner und keine Pizza mehr gäbe. Ein Schüler sagt aber dann doch sehr deutlich: "Es ist einfach auch unfair für Leute mit Migrationshintergrund, die in Deutschland aufgewachsen oder sogar hier geboren sind, weil die sich was aufgebaut haben. Das ist ihre Heimat. Die würden alles verlieren." Und ein anderer fügt hinzu: "Wenn die AfD das umsetzen würde, würde das bedeuten, dass die Hälfte meiner Freunde nicht mehr da wäre."

Jugendliche nicht mit Sorgen alleine lassen

Wenn Jugendliche mit Ängsten auf Pädagogen zukommen, sei es wichtig, dass sie sich ernst genommen fühlen, betont Joachim Langner vom Deutschen Jugendinstitut. "Wir haben Gespräche mit verschiedenen Pädagoginnen und Pädagogen geführt und dabei festgestellt, dass ein Teil sehr distanziert auf die Erfahrung reagiert, sie nicht ernst nimmt." Die Jugendlichen sollten mit ihren Sorgen nicht alleine gelassen werden. Es sei wichtig, "dass man als Gruppe, als Klasse, als Gesellschaft wahrnimmt: Das ist unser gemeinsames Problem, an dem wir gemeinsam arbeiten müssen. Und wir sitzen dabei auch alle in einem Boot, auch wenn wir davon unterschiedlich konkret betroffen sind."

Der Klassenlehrer der 10a tut dies längst. Er motiviert seine Schülerinnen und Schüler immer wieder dazu, Nachrichten zu verfolgen, spricht mit ihnen über Demokratie und Politik, motiviert sie zur Teilnahme. Bald dürfen viele von ihnen das erste Mal wählen: "Das ist eure Zukunft."

Mit Informationen von AFP

Im Video: Rechtsextreme Vertreibungspläne: Angst macht sich breit - wie an dieser Münchner Mittelschule

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