In Innsbruck hat für René Benko alles angefangen – in Innsbruck entscheidet sich auch, wie es für den in die Pleite gerutschten und seit Anfang des Jahres in U-Haft sitzenden Signa-Gründer weitergeht. In der Hauptstadt Tirols baute Benko einst leerstehende Dachböden zu Wohnungen aus, um diese anschließend wieder zu verkaufen. Der Weg führte ihn weiter in die Immobilienbranche und mit seinem Immobilien- sowie Handelsriesen Signa vermeintlich nach ganz oben.
Nun führt dieser Weg aber vor das Landesgericht Innsbruck, wo am Dienstagmorgen vor 70 Journalistinnen und Journalisten aus dem In- und Ausland der auf zwei Tage anberaumte Prozess gegen Benko begonnen hat.
Der erste von mutmaßlich mehreren Prozessen
Es war der erste öffentliche Auftritt Benkos, der im Januar festgenommen wurde und sich seither in Untersuchungshaft befindet - im ersten von voraussichtlich etlichen Prozessen, die nach und nach Licht ins Benko'sche Finanzdickicht bringen sollen.
Die Plädoyers: Betrug versus heldenhafter Kampf
Für den ersten Verhandlungstag waren die Eröffnungsplädoyers von Anklage und Verteidigung sowie die Befragung Benkos geplant.
Die Plädoyers: Aus Sicht der Staatsanwaltschaft hat der 48-Jährige im Rahmen seiner Pleite als Einzelunternehmer sein Vermögen geschmälert, um die Gläubiger zu schädigen. Die Verteidigung argumentierte, Benko habe im Herbst 2023 nicht kriminell gehandelt, sondern vielmehr "bis zur körperlichen Selbstaufgabe" um sein Lebenswerk gekämpft.
Prozess eröffnet - und vertagt
Nach zwei Stunden war dann schon wieder Schluss: Das Verfahren werde am Mittwoch fortgesetzt, entschied die Richterin am Landgericht Innsbruck. Grund für die Entscheidung war der Umstand, dass sich Benko nicht ausführlich zu den Vorwürfen äußern wollte, sondern sich lediglich in beiden Anklagepunkten als "nicht schuldig" bekannte. Am morgigen Mittwoch sollen nun acht Zeuginnen und Zeugen vernommen werden.
Hintergrund: der Vorwurf der betrügerischen "Krida"
Angeklagt ist Benko wegen betrügerischen Krida, wie es in Österreich heißt. Es lässt sich sinngemäß als Betrug im Zusammenhang mit einem Bankrott übersetzen. Die Anklage wirft ihm diese in zwei Punkten vor: Zum einen eine Miet- und Betriebskostenvorauszahlung von rund 360.000 Euro für eine Villa der Benkos in Innsbruck, die, vereinfacht gesagt, auch über Benkos Mutter läuft – ein Schritt, den die Anklage als weder wirtschaftlich noch sachlich vertretbar bezeichnet. Der andere Punkt betrifft eine Schenkung über ca. 300.000 Euro, ebenfalls an seine Mutter, deklariert als "Rückführung Darlehen".
Beide Zahlungen sollen in einer Phase passiert sein, in der sich die finanziellen Schwierigkeiten längst abzeichneten und die Pleite laut Fachleuten nur noch eine Frage der Zeit gewesen sein dürfte.
Benko beteuert seine Unschuld
Bei einer Verurteilung drohen dem Unternehmer zwischen einem und zehn Jahren Haft. René Benko beteuert seine Unschuld, bis zu einer etwaigen Verurteilung gilt die Unschuldsvermutung. Das Gericht hat eine Handvoll Zeugen geladen, auch Benkos Tochter und seine Mutter. Das Urteil soll es bereits am Mittwoch geben.
Im Zusammenhang mit dem Konkurs des Immobilien- und Handelsriesen Signa laufen rund ein Dutzend Ermittlungsverfahren gegen Benko und Signa-Verantwortliche. Die Zeitung "Der Standard" spricht von aktuell insgesamt 14. Ermittelt wird von der WKSTA, der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft, einer Spezialbehörde zur Aufklärung von schweren Wirtschafts- und Korruptionsdelikten. Ermittelt wird unter anderem wegen des Verdachts auf Betrug, Untreue, Bankrott und Verheimlichung von Vermögen gegenüber Gläubigern und Insolvenzverwaltern.
Jurist: Geht noch nicht um "Betrugskarussell"
Angesichts dessen gehe es im Verfahren vor dem Landesgericht in Innsbruck um "kleinere Bereiche", sagen Fachleute wie Robert Kert, Professor vom Institut für Österreichisches und Europäisches Wirtschaftsstrafrecht in Wien. "Das betrifft eigentlich noch gar nicht dieses Betrugskarussell. (…) Es sind Sachverhaltskomplexe, die relativ einfach zu ermitteln sind", sagt Kert – nämlich, ob, wann und wie Vermögensgegenstände im Rahmen der Insolvenz beiseitegeschafft wurden. "Aber es ist nicht so, dass es diesen Kern des Konglomerats schon erfasst. Also da, glaube ich, braucht es noch viel Ermittlungen und insofern glaube ich auch, dass man hier eher am Anfang der Ermittlungen steht."
Kert geht davon aus, dass auf die Justiz das komplexeste Wirtschaftsverfahren seit dem Zweiten Weltkrieg zukommt. Dazu passt, dass die Signa-Pleite als die größte in der Geschichte Österreichs gilt. Es gibt Gläubiger-Forderungen in Höhe von mehreren Milliarden Euro. Fachleute rechnen mit sehr komplizierten Verfahren, die sich jahrelang ziehen dürften.
Signa legte jahrelang keine Bilanzen vor
Unabhängig vom Urteil am Mittwoch hofft der Wirtschaftsexperte auf Veränderungen. Die Signa hatte jahrelang vermieden, Bilanzen vorzulegen. Kritik daran soll häufig durch persönliche Überzeugungskraft und das Versprechen hoher Renditen beschwichtigt worden sein. Teils sollen Signa-Unternehmen auch lieber Strafen gezahlt haben, als reihenweise Einzelbilanzen zu veröffentlichen. Investigativjournalisten, die dazu recherchierten oder kritisch über Signa berichteten, mussten mit Klagen rechnen.
Das gehe so nicht, sagt Robert Kert. "Man muss sicherlich im Bilanzrecht etwas tun, dass es nicht so leicht ist, ohne Bilanzen zu legen, so lange durchzukommen", findet der Professor. "Dass die Bilanzen auch entsprechend überprüft werden müssen, das ist wohl eine Lehre daraus."
Mit Informationen von dpa und Reuters
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