Für Alexander Dobrindt ist nichts gewesen: "Wir bleiben dabei, dass die Zurückweisungen stattfinden. Da gibt es aktuell nichts zu ändern", so der Bundesinnenminister am Vormittag in Berlin. Die Opposition im Bundestag spricht von Rechtsbruch. Einzelne Abgeordnete fordern den CSU-Politiker auf, zurückzutreten.
Doch Dobrindt erhält Unterstützung vom Kanzler. Auch Friedrich Merz (CDU) will, dass die Bundespolizei weiter zurückweist. Er sieht das als Beitrag zur öffentlichen Sicherheit und zur Entlastung von Städten und Gemeinden bei der Integration.
Grenzkontrollen beeinflussen Migrationsgeschehen wenig
Politisch ist die Berliner Gerichtsentscheidung ein Dämpfer für Dobrindt. Die Zurückweisungen von Asylbewerbern sind ein zentrales Element der von der Union angestrebten Migrationswende. In der Sache dürfte die Entscheidung im Eilverfahren kaum Folgen haben. Dafür sind die Grenzkontrollen für das Migrationsgeschehen zu unbedeutend.
Seit Monaten beantragen immer weniger Menschen in Deutschland Asyl. Im Vergleich zum Vorjahr sind die Zahlen etwa 50 Prozent niedriger. Auch in Bayern sinken die Zahlen. In den ersten Monaten des Jahres haben mehr Menschen freiwillig oder per Abschiebung das Land verlassen, als neue Asylbewerber eingereist sind. Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) sagt: "Die Migrationswende ist in vollem Gange."
Union setzt auf abschreckende Wirkung
Die Grenzkontrollen dürften dabei eine untergeordnete Rolle spielen. Und die politische Wende haben andere eingeleitet. Schon die Ampel-Regierung hatte verschiedene Asylgesetze verschärft, um ein Signal der Abschreckung zu setzen.
Die neue Bundesregierung aus Union und SPD setzt das fort, indem sie den Familiennachzug einschränkt und ein Aufnahmeprogramm für Afghanistan einstellt. Beides hat eher symbolischen Charakter, da über diese beiden legalen Migrationswege vergleichsweise wenige Menschen nach Deutschland gelangen.
Fachleute halten die Entwicklung in den Herkunfts- und Transitländern für wichtiger. Nach wie vor kommen die meisten Asylanträge von Menschen aus Syrien. Die neue Regierung dort bemüht sich darum, das Land zu stabilisieren. Mit der Aufhebung der Sanktionen gegen Syrien wachsen die Perspektiven. Auch das kann ein Grund sein, warum weniger Menschen nach Deutschland kommen – unabhängig von der Politik hierzulande.
Trotzdem setzen CDU und CSU weiter auf Grenzkontrollen. Sie sollen den Menschen in Deutschland signalisieren: alles unter Kontrolle. Der Preis dafür ist hoch. Sollten die Zurückweisungen später von europäischen Gerichten in letzter Instanz als rechtswidrig eingestuft werden, kostet das Vertrauen. Und es kostet Geld.
Kontrollen kosten mehr als 100 Millionen im Jahr
Aus einer parlamentarischen Anfrage des Grünen-Bundestagsabgeordneten Leon Eckert aus Eching im Landkreis Freising ergibt sich, dass die ersten sechs Wochen der bundesweiten Kontrollen im Herbst 2024 etwa 12,3 Millionen Euro gekostet haben. Das macht grob überschlagen zwei Millionen Euro pro Woche. Auf ein Jahr hochgerechnet: mehr als 100 Millionen Euro.
Das sind aber nur die zusätzlichen Kosten für Sachkosten, Überstunden und Zulagen. Die regulären Ausgaben für die Bundespolizei sind noch nicht mitgerechnet. Die aktuellen Kosten für die Kontrollen seit Anfang Mai dürfen nochmal deutlich höher liegen, denn es sind auch mehr Bundespolizisten im Einsatz – bundesweit bis zu 14.000.
Bisher nur wenige Zurückweisungen von Asylbewerbern
In den ersten drei Wochen der intensivierten Grenzkontrollen hat die Bundespolizei nach eigenen Angaben 2.612 Menschen zurückgewiesen. Dazu zählen 125 Menschen, die Asyl beantragen wollten. Um diese Menschen geht es im Kern bei den neuen Grenzkontrollen. Denn Zurückweisungen sind keine Erfindung der schwarz-roten Bundesregierung. Von Herbst 2023 bis Frühjahr 2025 gab es laut Innenministerium schon etwa 50.000 Zurückweisungen. Dabei handelt es sich unter anderem um Menschen, deren Asylantrag in Deutschland abgelehnt wurde und gegen die eine Wiedereinreisesperre vorliegt.
Wie viele Menschen wegen der Grenzkontrollen einen Bogen um Deutschland machen, ist kaum zu ermitteln. Insider gehen davon aus, dass organisierte Schleusergruppen erstmal abwarten, um später die Lücken der Grenzkontrollen zu nutzen.
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