Man müsse den russischen Präsidenten wörtlich nehmen, warnt die Journalistin und Buchautorin Gesine Dornblüth: "Aus Putins Sicht ist das ein Krieg." Nach Kreml-Auffassung verteidige sich Russland gegen die Nato – und zu der gehöre Deutschland. "Wir sind der Feind und das müssen wir einfach auch so anerkennen und daraus Konsequenzen ziehen."
Zuletzt waren zwei russische Militärflugzeuge nach Angaben der litauischen Armee in den Luftraum des baltischen Landes eingedrungen, das Mitglied der EU und Nato ist. Auch Drohnensichtungen über den Flughäfen von München, Oslo und Kopenhagen werden Beobachtern zufolge Russland zugeschrieben.
Dornblüth berichtet seit den 1990er Jahren aus Russland und den früheren sowjetischen Ländern, von 2012 bis 2017 war sie Moskau-Korrespondentin für das Deutschlandradio. Als Buchautorin schreibt sie über Russlands Gesellschaft, Putins Angriffe auf den Westen und russisch-imperialistische Ansprüche gegen Nachbarstaaten.
Hybrider Krieg gegen den Westen
Insbesondere die hybriden Angriffe auf westliche Demokratien bereiten der Russland-Expertin Sorgen. Das Problem seien etwa neben den mutmaßlich von Russland durchgeführte Drohnenüberflügen oder zerstörten Unterseekabeln vor allem Desinformationskampagnen. "Unsere Gesellschaft ist auf dieses Ausmaß von Desinformation, das da ganz massiv kommt, nicht vorbereitet", warnt Dornblüth im Gespräch mit der Münchner Runde.
Über Social Media und "putinfreundliche Parteien in Deutschland" könne der Kreml Lügen und Desinformationen verbreiten und in den deutschen Diskurs hineintragen, so Dornblüth. Namentlich nennt sie BSW und AfD.
Angst vor Eskalation – wie gefährlich ist Putin? Am Mittwochabend diskutieren in der Münchner Runde neben Gesine Dornblüth: AfD-Co-Chef Tino Chrupalla, EVP-Chef Manfred Weber, André Wüstner, der Vorsitzende des Deutschen Bundeswehrverbands, und Politikwissenschaftler Peter Neumann. Live im BR Fernsehen, am 29. Oktober um 20.15 Uhr.
Angriff auf die Wahrheit
Ziel sei dabei nicht nur, russlandfreundliche Sichtweisen zu verbreiten, sondern vor allem Konflikte und Gräben in westlichen Gesellschaften zu verstärken sowie Unruhe und Verunsicherung bei den Menschen zu schaffen. "Das ist sehr viel konkreter und nicht weniger gefährlich als irgendwelche Drohnen über Nato-Gebiet", so die Autorin.
Der Kreml sehe Russland in einem Wettbewerb mit den westlichen Demokratien und greife ihren Kern an: "Wenn wir keinen Wettbewerb der Ideen mehr haben, wenn wir kein Vertrauen in Institutionen mehr haben, dann ist definitiv unser Wohlstand bedroht."
Wohin diese Strategie aus Angst und Verunsicherung führen könne, habe Dornblüth oft bei ihrer Arbeit in Russland erlebt. "Es gibt dort eine große Gleichgültigkeit und auch Frustration der Menschen." Das Argument, häufig mit aggressivem Unterton vorgetragen: Im Westen würden alle lügen, im russischen Fernsehen auch, aber das gehöre ohnehin dazu.
Das führe dazu, dass die Menschen in nichts mehr Vertrauen hätten und sich abschotteten und teilnahmslos würden. "Das ist etwas, was wir in Deutschland auf jeden Fall vermeiden sollten und versuchen müssen, abzuwehren", appelliert Dornblüth.
Kreml-Propaganda in Russland
In Russland würde systematisch Geschichte verdreht, Ukrainer als Nazis verunglimpft – und zwar in der Schule, jeden Montagmorgen, in feststehenden sogenannten "Gesprächen über Wichtiges". Diese würden gerade schrittweise in Kindergärten eingeführt, beschreibt Dornblüth: "Und wir wissen – was man als kleines Kind lernt, das vergisst man bis an sein Lebensende häufig nicht wieder."
Große Teile der russischen Gesellschaft, gerade der jüngeren Generationen, würden "gehirngewaschen". Es sei ein gefährlicher Irrglaube, dass Russland nach Putin rasch wieder proeuropäisch werden könne: "Deswegen ist meine Position, dass wir uns auf absehbare Zeit erst einmal vor Russland und auch vor dieser Gesellschaft in Russland schützen müssen", warnt Dornblüth eindringlich.
Im Video: Possoch klärt: Was passiert, wenn Russland die Nato angreift?
Possoch klärt
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