Wissenschaftler arbeiten in einem Labor
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Universitäten: Ist #IchbinHanna gescheitert?

Universitäten: Ist #IchbinHanna gescheitert?

Mit #IchBinHanna haben Wissenschaftler auf ihre prekären Arbeitsbedingungen mit Kurzzeitverträgen aufmerksam gemacht. Nun ist eine Reform beschlossen: Die macht aber nicht Schluss mit befristeten Verträgen und stößt daher auf Kritik, auch aus Bayern.

Über dieses Thema berichtet: Bayern 2 Zündfunk am .

"So wie es jetzt ist, ist es Mist": Sebastian Kubon klingt im BR24-Interview enttäuscht. Er ist Mit-Initiator von #IchbinHanna. Der Hashtag ging vor drei Jahren viral: Eine Empörungswelle von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, die digital begann und bis in den Bundestag gedrungen ist.

Befristete Arbeitsverträge: Druck und mangelnde Perspektiven

Damalige Wissenschaftler wie Kubon haben damit die prekären Arbeitsbedingungen an Hochschulen und Universitäten offengelegt: Kettenbefristungen, Druck, mangelnde Perspektiven. Denn seit 2007 regelt das sogenannte Wissenschaftszeitvertragsgesetz die Befristungen von Arbeitsverträgen an Hochschulen und Forschungseinrichtungen. Laut dem Bundesbildungsministerium hat mindestens jeder dritte befristete Vertrag an Hochschulen eine Laufzeit von weniger als einem Jahr.

Bildungsministerin: Wissenschaftler schützen

Die Ampel-Regierung wollte das mit einer neuen Reform ändern: Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) verfolgt damit das Ziel, junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler besser vor prekären Arbeitsverträgen zu schützen. Um auch "im Wettbewerb um die klügsten Köpfe talentierte junge Menschen für Wissenschaft und Forschung zu gewinnen", so die FDP-Politikerin, die die Reform als wichtigen Baustein hierfür sieht.

Gesetz: Schluss mit Kurzzeitverträgen?

Nach zweieinhalb Jahren Streit und hartem Ringen innerhalb der Koalition ist der Gesetzentwurf jetzt vom Bundeskabinett verabschiedet: Unter anderem sollen erstmals Mindestvertragslaufzeiten für Arbeitsverträge eingeführt werden – für mehr Planbarkeit und Verlässlichkeit. Für studentische Beschäftigte gilt demnach eine Mindestvertragslaufzeit von einem Jahr.

Wer promovieren will, soll einen Arbeitsvertrag mit einer Laufzeit von mindestens drei Jahren vor seinem Doktor-Titel erhalten – nach der Promotion (in der sogenannten "Post-Doc-Phase") sollen das mindestens zwei Jahre sein: das sogenannte "4+2 Modell". Das bedeutet: Wer den Doktor-Titel hat, der soll künftig maximal vier Jahre statt bisher sechs Jahre befristet werden – danach geht es nur weiter, wenn die Universität eine unbefristete Stelle anbieten kann.

Unbefristete Stellen benötigt, aber nicht geschaffen

Das können die meisten Unis allerdings nicht – Dauerstellen sind rar, wie es von Gewerkschaften und Verbänden heißt, neue werden mit der Reform nicht geschaffen. Sie stößt daher auf viel Kritik: Auf BR24-Anfrage heißt es von Bayerns Wissenschaftsminister Markus Blume (CSU), dass die Post-Doc-Phase viel zu kurz sei und die Reform "weder der angekündigte große Wurf" sei, noch die Kernprobleme löse.

Damit ist Blume nicht allein: Die bayerische Bundestagsabgeordnete Nicole Gohlke, Sprecherin für Bildung und Wissenschaft der Gruppe "Die Linke" im Bundestag, nennt das 4+2-Modell "absurd". Die Bildungsministerin beharre auf ihren Plänen, "die am Ende bloß den Arbeitgebern statt den Beschäftigten zugutekommen".

Neue Reform: Ampel-Parteien uneinig

Auch in den Ampel-Parteien regt sich Widerstand: Laura Kraft, Obfrau der Grünen im Bildungsausschuss des Bundestags, meint auf BR24-Anfrage, dass "Nachbesserungsbedarf" bestehe. Die Juso-Hochschulgruppen (Jugendorganisation der SPD), nennen die Reform einen "erneuten Schlag ins Gesicht" aller Wissenschaftler.

Stephan Seiter, Obmann für die FDP im Ausschuss, verteidigt auf BR24-Anfrage hingegen die Reform: Man setze sich für Wissenschaftler ein, räume ihnen ausreichend Zeit zur Qualifizierung ein und fördere die Vereinbarkeit von Familie und Beruf: "So manche Zielsetzung führender Stimmen der #IchbinHannah-Bewegung wird der Komplexität des deutschen Wissenschaftssystems nicht gerecht."

Die Äußerungen der Ampel-Vertreter machen deutlich: Die Reform ist innerhalb der Ampel umstritten. Thomas Jarzombek (CDU), bildungspolitischer Sprecher der Union im Bundestag, fürchtet im Gespräch mit BR24 daher, "dass der Streit ins Parlament verlagert wird". Denn jetzt können die Bundestagsabgeordneten noch Änderungen am Entwurf vornehmen.

#IchbinHanna: Hoffen auf Verbesserung

Dass sich noch einiges ändert und verbessert, das hofft jetzt Sebastian Kubon. Denn ansonsten drehe sich das Befristungskarussell weiter. Er wirft die Frage auf, ob sich nachfolgende Generationen in Wissenschaft und Forschung das gefallen lassen – gerade in Zeiten des Fachkräftemangels. Oder ob sie der Wissenschaft ganz den Rücken kehren und in die Wirtschaft abwandern, wo unbefristete Verträge locken. Das hat auch er getan – Kubon ist heute Büroleiter im Bayerischen Landtag. Ganz ohne Wissenschaft kann der Historiker aber nicht: "Heute werde ich einen Arbeitsvertrag an der LMU unterschreiben. Aber ich bin heilfroh, dass an diesem Vertrag nicht meine Karriere hängt". Ohne sicheren Job in der Hinterhand hätte Kubon sich aber nicht auf den befristeten Nebenjob eingelassen.

Im Audio: Die Reform des "Wissenschaftszeitvertragsgesetzes"

Vorlesung an einer Universität
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Vorlesung an einer Universität

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