Lange war das Verhältnis zwischen der Europäischen Union und Großbritannien heruntergekühlt. Der Brexit im Januar 2020 hatte für viel Streit bei diversen Themen gesorgt. Doch jetzt gibt es Hoffnung: Denn die EU und das Vereinigte Königreich stellen ihre Beziehungen derzeit neu auf. Bei einem Gipfeltreffen zwischen Spitzenvertretern der 27 EU-Staaten und der britischen Regierung in London wurden heute einige Abkommen unterzeichnet, die mehr Zusammenarbeit in diversen Punkten garantieren sollen.
Sicherheit und Verteidigung
Im Kern der neuen Beziehungen zwischen Brüssel und London steht wohl die engere Kooperation bei Fragen der Sicherheit und Verteidigung – auch mit Blick auf den russischen Angriffskrieg in der Ukraine. Ein neu geschlossener Pakt soll es Großbritannien ermöglichen, am zivilen und militärischen Krisenmanagement der EU teilzunehmen. Außerdem könnte sich London an gemeinsamen Beschaffungen des Staatenbundes beteiligen.
Daneben soll die britische Rüstungsindustrie mit bekannten Unternehmen wie BAE Systems, Rolls Royce und Babcock nach Angaben der Downing Street Zugang zu einem künftigen EU-Verteidigungsfonds bekommen. Das 150 Milliarden Euro schwere Programm zur Wiederbewaffnung Europas mit dem Namen Safe wird aktuell zwischen den EU-Mitgliedstaaten verhandelt.
Fischerei und Handel
Für Ärger auf beiden Seiten des Ärmelkanals hatten seit dem Brexit auch die Themen Fischerei und Handel gesorgt. Die EU hat Großbritannien einst wegen des Verbots des Sandaalfangs in britischen Gewässern verklagt. Nun gibt es eine neue Linie: In der Fischerei sollen britische und EU-Schiffe vorerst weiter in den Gewässern des jeweils anderen ihre Fangnetze auswerfen dürfen. Die ursprünglich 2026 auslaufenden Bestimmungen wurden um zwölf Jahre verlängert.
Für britische Lebensmittelproduzenten soll es künftig außerdem leichter werden, ihre Erzeugnisse in die EU zu exportieren. Brüssel wird die Bürokratie für Waren aus dem Vereinigten Königreich auf unbestimmte Zeit lockern. Beide Seiten wollen zusätzlich auf gemeinsame Lebensmittel- und Pflanzenschutzstandards hinarbeiten. Die hohen Lebensmittelstandards in der EU sollen aber beibehalten werden, hieß es.
Energie und Emissionshandel
Beide Seiten prüfen die britische Teilnahme am internen Strommarkt der EU, den Großbritannien nach dem Brexit verlassen hatte. Die britische Energiebranche drängt jedoch auf effizientere Stromhandelsvereinbarungen mit der EU. Im Jahr 2024 importierte Großbritannien rund 14 Prozent seines Stroms über Verbindungen mit Belgien, Dänemark, Frankreich und Norwegen.
Um britische Unternehmen von der CO2-Steuer der EU auszuklammern, sollen darüber hinaus die Emissionshandelssysteme beider Seiten verbunden werden. Viele Unternehmen hatten das in der Vergangenheit gefordert. Branchenanalysten weisen darauf hin, dass dies wahrscheinlich die britischen Kohlenstoffpreise auf das EU-Niveau anheben würde. Energieunternehmen argumentieren jedoch, dass dies Kosten für Verbraucher senken und die Marktliquidität verbessern könnte.
Jugendaustausch
Ein weiterer Schwerpunkt ist ein Jugendmobilitätsprogramm für Unter-30-Jährige. Es soll das Reisen und Arbeiten zwischen Großbritannien und der EU erleichtern. Darin enthalten soll auch die Teilnahme am Erasmus+-Studierendenaustauschprogramm sein. Die Regierung Starmer betont aber, dass dies keine Rückkehr zur Freizügigkeit bedeutet. Stattdessen wird eine kontrollierte Anzahl von Personen mit begrenzter Teilnehmerzahl und Aufenthaltsdauer angestrebt. Die genaue Teilnehmerzahl wird noch diskutiert.
EU-Kommissionspräsidentin: Neues Kapitel der Beziehungen
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen bezeichnete die Wiederannäherung von Europäischer Union und Großbritannien als "historischen Moment". "Wir beginnen ein neues Kapitel in unserer einzigartigen Beziehung", sagte von der Leyen nach Unterzeichnung der Abkommen in London. EU-Ratspräsident António Costa betonte: "Wir sind Nachbarn, Verbündete, Partner, und wir sind Freunde."
"Es ist Zeit, nach vorne zu blicken", sagte der britische Premierminister Keir Starmer in einer Erklärung. "Wir müssen die alten Debatten und politischen Kämpfe hinter uns lassen und vernünftige, praktische Lösungen finden, die das Beste für das britische Volk herausholen. Wir sind bereit, mit Partnern zusammenzuarbeiten, wenn wir dadurch das Leben der Menschen hier im Land verbessern können." Die Briten rechnen damit, dass bis 2040 rund neun Milliarden Pfund in die eigene Wirtschaft eingebracht werden.
Mit Informationen von dpa, AFP und Reuters
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