Die Soldatinnen und Soldaten marschieren geschlossen im Gleichschritt – dann gibt der Dirigent den Takt vor: Die ukrainische und die deutsche Hymne werden zu Ehren von Ukraines Präsident Wolodymyr Selenskyj im Kanzleramt angestimmt. Kanzler Friedrich Merz empfängt Selenskyj in Berlin, sie schütteln Hände, dann marschieren auch sie im Gleichschritt nebeneinander – bis die Musik verklingt.
Jetzt dürften hinter verschlossenen Türen andere, ernste Töne dominieren: Die Ukraine erlebt derzeit die schwersten Angriffe Russlands seit Beginn des Krieges. Das Treffen von Merz und Selenskyj ist davon überschattet – die zentrale Frage: wie weiter?
Ukraine-Hilfe: Kooperation bei Produktion von weitreichenden Waffen
Merz – in seiner damaligen Rolle als Oppositionsführer – hat in der Vergangenheit schon öfter mit 5-Punkte-Plänen auf sich aufmerksam gemacht. Auch heute präsentiert er einen solchen Plan bei der gemeinsamen Pressekonferenz mit dem ukrainischen Präsidenten. Das wichtigste Vorhaben: eine enge, neue Zusammenarbeit bei der Rüstungsproduktion – beispielsweise beim Raketenbau. Hierzu haben die Verteidigungsminister eine Erklärung unterzeichnet: Ziel ist es, zum Beispiel in die ukrainische Rüstungsindustrie zu investieren, um weitreichende Waffen zu bauen. Nach dem Motto: Kooperation in der Produktion. Eine Zusammenarbeit auf industrieller Ebene, "die sowohl in der Ukraine als auch hier in Deutschland stattfinden kann", so Merz. "Die Ukraine kann sich damit vollumfänglich verteidigen."
Weitere Munition sowie Luftverteidigungssysteme sollen geliefert werden – auch hierfür wurde unter anderem ein Vertrag zwischen der Ukraine und dem deutschen Rüstungskonzern Diehl mit Hauptsitz in Nürnberg unterzeichnet.
Das gesamte Paket umfasst rund fünf Milliarden Euro, wie es vom zuständigen Verteidigungsministerium heißt. Finanziert wird das Paket durch Mittel, "die der Bundestag bereits bewilligt hat". Zur Einordnung: Bereits im März hatte der Bundestag diese Ukraine-Hilfen beschlossen und freigegeben. Unklar bleibt daher, wie viele der jetzt genannten Lieferungen tatsächlich neu sind oder lediglich schon lange angekündigte Systeme betreffen – wie etwa Luftverteidigungssysteme Iris-T.
Taurus: Schweigen als Strategie
Offen auch die Frage nach dem Marschflugkörper Taurus: Eine ukrainische Journalistin bleibt mit ihrer Nachfrage erfolglos, der Kanzler nimmt das Wort Taurus nicht in den Mund, weicht aus, verweist darauf: "Wir wollen lang weitreichende Waffen ermöglichen, wir wollen auch gemeinsame Produktionen ermöglichen und wir werden über Details nicht öffentlich sprechen."
Das Schweigen des Kanzlers hierzu: Strategie. Russland soll im Unklaren bleiben, welche Waffen geliefert werden. Daher bleibt auch für die Öffentlichkeit vieles vage. Klarer und schärfer hingegen wirkt die Rhetorik des Kanzlers, wenn es um Druck auf Russland geht. Merz will "die Kriegsmaschine Moskau schwächen" – militärisch einerseits, durch schärfere Sanktionen andererseits. Wie diese aussehen sollen: offen.
Klar ist hingegen ist, dass sich Deutschland und die Ukraine weiterhin für einen Waffenstillstand und Gespräche einsetzen wollen. Selenskyj betont, man sei jederzeit dafür bereit: "Wir wollen das Ende des Krieges. Und wir sind offen für jede Plattform." Merz ergänzt: egal wo. Der Kompass sei klar: Frieden. Doch von russischer Seite fehlt weiterhin jedes Zeichen dafür.
Vom Besuch Selenskyjs in Berlin hingegen werden einige Zeichen an Moskau und die Welt gesendet: ein Signal der Geschlossenheit. Friedrich Merz weiß, dass genau diese Zeichen eine Provokation für Russland darstellen – kaum war die Pressekonferenz vorbei, folgte die russische Reaktion. Der Kreml wirft Deutschland "Kriegstreiberei" vor.
Doch Deutschland positioniert sich weiterhin klar an der Seite der Ukraine – als enger Partner. Auch in der Tonlage wird das deutlich: "Lieber Friedrich", so spricht Selenskyj den Kanzler an – einen Mann, von dem er hofft, dass er Worten auch Taten folgen lässt.
Im Video: Selenskyj trifft Merz in Berlin
Selenskyj trifft Merz in Berlin
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