Der russische Präsident Wladimir Putin bei einem Treffen mit US-Präsident Donald Trump in Alaska
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Gegen den russischen Präsidenten liegt ein internationaler Haftbefehl vor
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Gegen den russischen Präsidenten liegt ein internationaler Haftbefehl vor

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Putin vor Gericht – wie könnte das aussehen?

Putin vor Gericht – wie könnte das aussehen?

Mehr als 20 Länder ermitteln gegen den russischen Präsidenten Wladimir Putin wegen Kriegsverbrechen in der Ukraine. Auch Deutschland. Wie sieht die internationale Zusammenarbeit aus? Und welche Rolle spielt das geplante Sondertribunal?

Über dieses Thema berichtet: BR24 Informationen am Morgen am .

Ungefähr ein Jahr nach dem Start des russischen Großangriffs auf die Ukraine am 17. März 2023 erließ der internationale Gerichtshof Haftbefehl gegen Wladimir Putin und seine Kinderrechtskommissarin. Dafür, dass Russland ukrainische Kinder aus den besetzen ukrainischen Gebieten nach Russland verschleppt und dort russischen Eltern zur Adoption übergibt. Ukrainische Eltern haben damit kaum mehr eine Chance, ihre Kinder wiederzufinden.

Internationaler Haftbefehl gegen Wladimir Putin

Für den Kölner Professor für Völkerrecht, Claus Kress, ist dieser Haftbefehl ein "politisches Hochminenfeld". Denn mit ihm macht der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag klar: "Wir schrecken bei der Anwendung des Rechts auch dann nicht zurück, wenn wir ganz besonders hoch in der Machtspitze ansetzen müssen."

Und trotzdem bleibt ein Problem. Der Haftbefehl ist ausgestellt nur für die eine, ganz konkrete Tat: das Verschleppen der Kinder. Wegen des Angriffskrieges selbst darf der internationale Gerichtshof gegen Russland nicht ermitteln. Seine Statuten verbieten es ihm, beim Verbrechen der Aggression einzuschreiten, wenn dieses Verbrechen durch oder auf dem Territorium eines Nichtmitglieds-Staats passiert. Und Russland ist kein Mitglied des internationalen Strafgerichtshofs.

Sondertribunal soll rechtliche Lücke schließen

Der Haftbefehl wegen der Verschleppung der Kinder ist demnach eine Art Umleitung für den Internationalen Strafgerichtshof, um doch tätig werden zu dürfen. Eine Umleitung allerdings, so sagt der Völkerrechtsprofessor Claus Kress im BR-Podcast "Die Entscheidung", "die von den ukrainischen Opfern als haarsträubend unzureichend empfunden wird".

Ein internationales Sondertribunal soll diese Lücke jetzt schließen. Es ist aufgehängt beim Europarat und unabhängig vom Internationalen Gerichtshof. Anders als er darf das Sondertribunal auch wegen des Angriffskriegs gegen Russland ermitteln.

Europäische Datenbank sammelt Beweise

Um Beweise gegen Putin, seine Führungsriege und Soldaten zu sammeln, arbeiten europäische Staaten bereits an verschiedenen Stellen zusammen. Bei der europaweiten Datenbank Ciced zum Beispiel, sie ist angedockt bei Eurojust. Das ist eine EU Einrichtung, die die europäische Zusammenarbeit in Justizsachen vereinfacht. 

In diese Datenbank speisen Staaten wichtige Zeugenaussagen, Indizien, Beweise ein. Sie können nachprüfen, ob andere Staaten schon zu Sachverhalten recherchieren. Analysten versuchen außerdem, aus den Daten Strukturen herauszulesen.  

Kriegsverbrechen entwickeln sich weiter

Die Zusammenarbeit der Kriegsverbrecherjäger entwickelt sich also weiter. Das muss sie auch, sagt Andrej Umansky. Er ist Menschenrechtsanwalt und hilft mit der Organisation Yahad-In Unum, ukrainische Zeugen für russische Kriegsverbrechen zu finden und deren Aussagen zu dokumentieren. Er ist zudem Historiker und beschäftigt sich schon seit Jahren mit der Entwicklung von Kriegsverbrechen. Im Zweiten Weltkrieg, so seine Beobachtung, haben die Nationalsozialisten noch massenhaft sichtbare Beweise für ihre Verbrechen hinterlassen: Lager, Gleise, Gebäude. 

Im Krieg in der Ukraine gibt es das nicht in diesem Ausmaß. Ermordete Menschen werden oft einfach verscharrt. Kriegsverbrecher hätten über die Jahre gelernt, dass ihnen das die Möglichkeit gibt, Taten von Anfang an zu leugnen. "Eines der klassischen Propaganda-Themen der Russen ist es, zu fragen: Wo sind denn die Spuren?", sagt Andrej Umansky im BR-Podcast "Die Entscheidung".

Vorbild Jugoslawien-Tribunal 

Was bei aller Zusammenarbeit auf juristischer Ebene bleibt, ist das größte Problem: Putin und seine Helfer müssen gefasst bzw. ausgeliefert werden. Auch genießen viele von ihnen Immunität, solange sie im Amt sind. Alles Dinge, die eine Verurteilung schwierig machen.

Aber nicht unmöglich, sagt der Völkerrechtler Kress und verweist auf das Jugoslawien-Tribunal. Die meisten der Kriegsverbrecher, die damals verurteilt wurden, hätten nie gedacht, dass sie je vor Gericht stehen werden, sagt der Völkerrechtsprofessor Claus Kress. Bei allen habe sich das politische Blatt aber gewendet, "sodass auf einmal möglich wurde, was früher nicht möglich war".

Ob es je zu einer Verurteilung von Putin und seinen Helfern kommen wird – und wann – ist ungewiss. Klar ist aber auch: Im Moment arbeiten viele Stellen darauf hin, bereit zu sein. Für den Moment, an dem sich das politische Blatt auch in diesem Krieg wendet.

Wenn Sie mehr zum Thema erfahren wollen: Im BR-Podcast "Die Entscheidung - Wer bringt Putin vor Gericht?" geht es in drei Folgen um die Macht internationaler Strafverfolgung und um die Menschen, die gerade dabei sind, Beweise zu sammeln für russische Kriegsverbrechen in der Ukraine. Für den Tag, an dem einer der mächtigsten Männer der Welt tatsächlich vor Gericht stehen könnte. Es geht also um Macht, Gerechtigkeit und die Frage: Wie weit reicht das Recht?

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