Als im letzten Jahr Christophe Hansen aus Luxemburg EU-Agrarkommissar wurde, waren die Bauern begeistert: Ein Mann mit Bodenhaftung und Verständnis für die Landwirte und ihre Sorgen. Nach den Bauernprotesten versprach er, sich um ihre Anliegen zu kümmern. Am Mittwoch präsentiert er einen Finanzrahmen für die zukünftige Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) ab 2028 und der sieht massive Einsparungen vor, so berichten Insider im Vorfeld. Die Direktzahlungen, also die Flächenprämien pro Hektar, sollen massiv gekürzt werden.
EU-Parlament fordert mehr Geld für die Bauern
Noch am Montag zeigte sich Bundesagrarminister Alois Rainer (CSU) zuversichtlich: "Ich bin guter Dinge, dass wir hier ein gutes Zahlenwerk erhalten werden." Kürzungen seien der falsche Weg – mit negativen Folgen für Landwirtschaft, Ernährungssicherheit und Naturschutz. Das EU-Parlament forderte vor kurzem sogar ein höheres Agrarbudget. Doch die Pläne von Hansen scheinen das Gegenteil zu sein.
Flächenprämien sind einkommensrelevant
Über sechs Milliarden Euro pro Jahr bekommen deutsche Landwirte derzeit aus Brüssel. Etwa eine Flächenprämie, auch Basisprämie oder Direktzahlung genannt, von derzeit rund 150 Euro pro Jahr und Hektar. Diese Prämie wurde in den letzten Jahrzehnten ständig gekürzt und im Gegenzug an immer mehr Auflagen gebunden.
Sollte sie ab 2028 noch niedriger werden, wäre das für viele Landwirte einkommensrelevant. Die Flächenprämie macht einen erheblichen Teil des Einkommens eines landwirtschaftlichen Betriebs aus.
Seit Jahren Kritik an der Flächenprämie
An der Flächenprämie, die jeder Landwirt und auch große Agrarholdings bekommen, gibt es seit jeher Kritik. Umweltschützer fordern, sie noch mehr an ökologische Auflagen zu binden. Andere Verbände
fordern, sie nur an "bedürftige" Landwirte zu verteilen und eine Obergrenze einzuführen. Nun sind scheinbar solche Obergrenzen für große Betriebe geplant. Die Bauern selbst wollen nicht als Subventionsempfänger dastehen. Vergangenes Jahr nach den Bauernprotesten stellten Landwirte und Politiker das ganze Fördersystem der EU-Agrarpolitik in Frage und forderten einen kompletten Neustart.
Landesbäuerin vermisst Planungssicherheit
Nun sagt Christine Singer, Landesbäuerin des Bayerischen Bauernverbandes, die Forderung nach einem Neustart hätte sich nur auf die Agrarpolitik der Ampelregierung bezogen: "Als Bauernverband stehen wir für eine Weiterentwicklung der GAP und nicht für einen Bruch." Singer, die auch für die Freien Wähler im Europaparlament sitzt, kritisiert die geleakten Entwürfe von Hansen: "Schon jetzt ist absehbar, dass zentrale Elemente der bisherigen Förderpolitik infrage gestellt werden. Von der viel besprochenen "Planungssicherheit" ist dieser Leak weit entfernt."
Weniger Gießkannenprinzip, weniger Bürokratie?
Maria Noichl, Europaabgeordnete der SPD aus Rosenheim, fordert einen Richtungswechsel: "Wir stehen für ein anreizbasiertes Fördersystem, das nachhaltigere Maßnahmen honoriert und nicht mehr das Geld lenkungslos mit der Gießkanne verteilt. Dafür brauchen wir ein zweckgebundenes Budget."
Bayerns Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber (CSU) fordert vor allem Bürokratieabbau: "Unsere Landwirtinnen und Landwirte brauchen keine neuen Auflagen, sondern Vertrauen, Verlässlichkeit und faire Anreize."
Mehr Kompetenzen für die EU-Mitgliedsstaaten
Laut dem Entwurf der EU-Agrarkommission scheinen in Zukunft die Mitgliedsstaaten mehr Handlungsspielraum zu bekommen. Jede Regierung soll demnach Pläne aufstellen, wie sie die Gelder im Detail ausgeben will. Diese würden dann in Brüssel abgesegnet. Das könne aber für ungleiche Wettbewerbsbedingungen sorgen, so die Kritik von Martin Häusling, Europaparlamentarier der Grünen.
Ob Obergrenzen für Direktzahlungen, Etatkürzungen und mehr Regionalisierung aber wirklich kommen, ist offen. Details der GAP-Reform sollen im September nach der Sommerpause veröffentlicht werden. 1980 betrug der Anteil des Agrarhaushalts (externer Link) am ganzen EU-Haushalt noch 70 Prozent, derzeit sind es nur noch 25 Prozent.
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