Die Regisseurin Sapir Heller
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Am Volkstheater angekommen: Porträt der Regisseurin Sapir Heller

Am Volkstheater angekommen: Porträt der Regisseurin Sapir Heller

"Meine ganze Theaterwelt ist deutsch", sagt die 1989 in Israel geborene Theatermacherin Sapir Heller. Denn sie kam nach dem Abitur nach München und lebt und arbeitet seither in Deutschland. Am Münchner Volkstheater inszeniert sie jetzt Dürrenmatt.

Über dieses Thema berichtet: Bayern 2 Die Welt am Morgen am .

Das Provinznest Güllen ist pleite. Alle Hoffnungen ruhen auf Claire Zachanassian. Die Milliardärin kehrt zurück in ihre Heimatstadt. Und tatsächlich, die alte Dame ist bereit zu helfen, macht allerdings ein unmoralisches Angebot: "Eine Milliarde für Güllen, wenn jemand Alfred Ill tötet". Alfred Ill ist Claires Jugendliebe. Er hat sie einst erst geschwängert, dann sitzen gelassen. Die Güllner reagieren entrüstet, kaufen aber trotzdem schon Mal fleißig auf Kredit ein. Denn irgendwer wird Ill schon irgendwann umbringen, auf dass das Geld wieder fließt.

"Der Besuch der alten Dame" ohne alte Dame

Sie finde es interessant, dass "Der Besuch der alten Dame" von Dürrenmatt selbst als tragische Komödie definiert worden sei, sagt Sapir Heller. Sie selbst hat einen recht freien Umgang mit dem Stoff gewählt. Markantester Eingriff: Heller inszeniert den Theaterklassiker ohne die Titelfigur.

Sie interessiere eben mehr der Rückblick, die heutige Perspektive auf den Umgang mit der Vergangenheit, wie er sich exemplarisch im Stück zeige. "Deswegen habe ich den "Besuch der alten Dame" von Dürrenmatt um zwei Generationen versetzt und lasse die alte Dame gar nicht auftreten, sondern eben ihre Enkelin. In der Parabel von Dürrenmatt geht es ganz viel um eine Gesellschaft, die die Augen verschließt."

Es geht, mit anderen Worten, um kollektiv verdrängte Vergangenheit. Womit wir bei der deutsch-jüdischen Geschichte wären sowie der Auseinandersetzung mit ihr in der Gegenwart. Ein Thema, das sich leitmotivartig durch viele Inszenierungen von Sapir Heller zieht. Hellers Großeltern haben den Holocaust überlebt. Bei ihrer Ankunft in Deutschland habe sie dieses Thema gar nicht so sehr beschäftigt, sagt sie, sie wollte schließlich Kunst machen. Dann aber hat das Thema sie gesucht. Und gefunden. Eine zwiespältige Erfahrung.

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Szene aus "Der Besuch der alten Dame" in der Inszenierung von Sapir Heller.

Interesse für politische Stoffe

"Ich habe gemerkt, dass ich ein Trigger war für ganz viele Leute, um über dieses Thema zu sprechen, über ihre privaten Geschichten", erzählt Heller. "Oder sie wollten oft meine Geschichte hören, sodass ich jetzt das Gefühl habe, ich komme aus dem Thema gar nicht raus. Jetzt ist die Frage: Wie gehe ich damit um? Mach ich weiter auf dieser – wie ich es nennen würde – Betroffenheitsschiene, die ich generell viel beobachte in Deutschland bei dem Umgang mit schmerzhaften Themen, aber auch konkret mit der Vergangenheit? Oder versucht man, das neu zu betrachten?"

Weg von der Beschreibung privater Befindlichkeiten, hin zu einer Analyse gesellschaftlicher Muster und Mechanismen – so lässt sich Hellers Weg vielleicht am besten beschreiben. Auf dem Spielplan des Volkstheaters steht zum Beispiel auch ihre Bühnen-Adaption von George Orwells Roman "Animal Farm". Noch so eine Parabel über Mitläufertum, Mitschuld und gezieltes Wegschauen. Und dann ist da noch Maya Arad Yasurs "Wie man nach einem Massaker humanistisch bleibt", ein Text, der weniger um Ängste vor dem Hamas-Terror kreist als um die bohrende Frage, wie man sich Menschlichkeit bewahrt in einer Situation, die eigentlich entsetzliche Rachephantasien entfesselt.

"Solange es der Gesellschaft gut geht, ist diese Frage, sage ich mal, so ein bisschen egal", stellt Heller fest. Aber was, wenn diese Haltung auf die Probe gestellt wird? Auch die Güllener im "Besuch der alten Dame" bilden sich etwas ein auf ihre humanistischen Werte, sind aber allen Beteuerungen zum Trotz rasch bereit, sie über Bord zu werfen, als das auf Alfred Ill – hier halt nicht von Claire Zachanassian, sondern von deren Enkeltochter–ausgesetzte Kopfgeld winkt, das sie aus ihrer finanziellen Not erlösen könnte.

Sapir Heller zeigt die Verrenkungen einer moralisch leicht korrumpierbaren Gesellschaft anhand von Figuren, die sich nicht nur sprachlich, sondern auch körperlich winden. Das wäre hochkomisch, wenn es nicht so traurig wäre. Und so ist es beides zugleich.

Theater nach dem 7. Oktober: Ein Ort, mit der Sprachlosigkeit zurechtzukommen

"Du machst immer Zirkus aus deinem Schmerz", habe ein Freund ihren Theaterstil einmal beschrieben. Das habe ihr ganz gut gefallen, sagt Heller. Wenn man so will, ist das die Magie von Sapir Hellers Theater: Krisen und Katastrophen in Kunst zu bannen. Aber eben nicht, um zu verdrängen, sondern als eine Art Überlebensstrategie, die – auch das muss an dieser Stelle gesagt werden – gerade nötiger scheint denn je.

Seit dem 7. Oktober habe sie das Gefühl, dass sie in einer anderen Welt lebe, sagt Heller. Auch in Deutschland. "Das Theater für mich ist auf einmal ganz, ganz schwierig geworden – und gleichzeitig wirklich existenziell notwendig. Ich merke, dass bei anderen Menschen und auch an mir selbst: Es ist ganz, ganz schwierig geworden, Worte zu finden. Und da ist das Theater für mich einfach die beste Möglichkeit, eine Sprache zu finden. In diese Zeit der Sprachlosigkeit."

"Der Besuch der alten Dame" von Dürrenmatt in der Inszenierung von Sapir Heller hat am 13. April am Münchner Volkstheater Premiere.

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