Auberginen auf einem Grill
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Kein schöner Anblick: Ungewollt empfangene Dick-Pics sind ein Ausdruck sexualisierter Gewalt.
Bildrechte: picture alliance / SZ Photo | Niels P. Jørgensen
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Kein schöner Anblick: Ungewollt empfangene Dick-Pics sind ein Ausdruck sexualisierter Gewalt.

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"Dick Pics"-Essay: Die Macht der Penisbilder

"Dick Pics"-Essay: Die Macht der Penisbilder

Sarah Koldehoff beleuchtet in einem Essay-Buch die Präsenz und Problematik von "Dick Pics" als Instrument von Macht und sexualisierter Gewalt. Sie fordert ein Ende der achselzuckenden Verharmlosung.

Über dieses Thema berichtet: Kulturleben am .

Man sieht es als Graffiti an Hauswände gesprüht, auf Werbebanner gekritzelt, als Plastik-Nachbildung in Souvenirshops, auf Gemälden und Fotografien: Das männliche Geschlechtsteil ist allgegenwärtig. Und das Bild vom Penis provoziert, erheitert, schreckt ab oder wird schlicht ignoriert. Fotos vom Penis, sogenannte "Dick Pics" können auch rechtlich problematisch sein, besonders dann, wenn sie ungewollt über soziale Medien verschickt werden. Das ist strafbar. Fast jede zweite Frau im Alter von 16 bis 24 Jahren hat schon mindestens einmal ungefragt ein Nacktfoto erhalten. Die Publizistin Sarah Koldehoff setzt sich in ihrem neuen Buch "Dick Pics - Selbstentblößung als Machtinstrument" mit diesem Phänomen auseinander.

"Das Dick Pic ist so etwas wie der ungebetene Gast in der digitalen Bildkultur: omnipräsent, aufdringlich, oft übergriffig und gewalttätig in seinem Auftreten", schreibt Koldehoff. Im Dick-Pic-Phänomen stecke viel mehr, als auf den ersten Blick ersichtlich, findet sie: "Das Thema 'Dick Pics' ist eines, was in meinem Freundeskreis immer wieder besprochen wird, aber häufig nicht mit so einer Tiefe, die dieses Thema eigentlich verdient. Da steckt eigentlich ganz, ganz viel hinter, wie wir so über Sexualität, über gegenderte Sexualität, über Lust, über Begierde und auch über die Bedeutung von Geschlechtsteilen sprechen."

Fehlende Hemmschwelle

Ein Blick in die Kulturgeschichte zeigt: Das Motiv ist seit langem populär. Die erste Darstellung eines Penis ist 42.000 Jahre alt, eine Graphit-Schnitzerei. Auch in der ägyptischen und griechischen Antike wurde er auf Kunstwerken abgebildet, man denke an die Skulpturen. Heutige "Dick Pics" sind aber etwas anderes: "Man muss heute keine Handynummer mehr haben. Man muss keine Adresse kennen, man braucht noch nicht mal eine E-Mail-Adresse, sondern einfach nur ein Postfach oder einen Dialog auf einer Dating-App", sagt Koldehoff. "Das hat dazu geführt, dass die Hemmschwelle gesunken ist und dass man sehr einfach anonym solche Bilder verschicken kann."

In ihrem Essay erzählt Sarah Koldehoff sachlich von Kulturgeschichte, Bedeutung und Symbolik des "Dick Pic". Ebenso fragt sie, warum das "Pussy Pic" – ein Foto des weiblichen Geschlechtsorgans – eigentlich viel weniger verbreitet ist. Kapitel für Kapitel erzeugt sie Fallhöhe und kommt dann zur entscheidenden Frage: Warum? Warum verschicken Menschen eigentlich ungefragt diese Bilder? Eine allgemeingültige Erklärung gibt es dafür nicht, die Intentionen sind vielfältig und individuell. Aber ein Motiv, das die Begründungen verbindet, benennt Koldehoff dennoch: Misogynie, die Herabsetzung und Verachtung des Weiblichen. Die unerwünschten Bilder sind eine Form sexualisierter Gewalt und üben Macht aus. Das ist die zentrale These. "Man kann und darf dabei nicht ignorieren, was es für eine Macht ist, wenn man jemanden dazu zwingt, sich den Penis anzugucken und die Person wollte das eigentlich vorher gar nicht", sagt Koldehoff.

Keine Verharmlosung

TV-Moderatorin Palina Rojinski präsentierte in der ProSieben-Sendung "Männerwelten" – im Frühjahr 2020 - ein Dick-Pic, das ihr zugeschickt wurde. Ein Beispiel, das Sarah Koldehoff in ihrem Essay anführt, um zu verdeutlichen, wie die Empfängerinnen auf die unerwünschten Fotos reagieren. Manche proaktiv, sie veröffentlichen sie, um auf die Belästigung aufmerksam zu machen. Einige erstatten Anzeige. Andere wiederum löschen sie oder suchen die Schuld sogar bei sich. Sarah Koldehoff betont: Die Verantwortung liegt nicht bei den Betroffenen, den Empfängerinnen. Sondern bei denen, die die Bilder versenden: "Es ist wichtig, dass man nicht an der Stelle stehen bleibt, zu sagen: 'War ein Missverständnis. Ich dachte, vielleicht will die andere Person das'. Die Sender müssen sich bewusst werden, dass sie sich auch mit solchen Ausreden in eine lange Tradition von Misogynie begeben. Und eigentlich müssten wir dahin kommen, dass diese Bildgattung so gar nicht mehr funktioniert."

Das ist Aufgabe der Gesellschaft – und auch des Rechtsstaates. Sarah Koldehoff schreibt, es sei notwendig, Männer in die Verantwortung zu nehmen. Und ebenso die unerwünschten "Dick Pics" als das zu benennen, was sie sind: sexualisierte Gewalt. Verharmlosung und Normalisierung darf es nicht geben.

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