Wilde Gesellen springen durch die engen Nürnberger Gassen. Sie tragen bunte Anzüge, das Gesicht hinter einer glatten Holzmaske versteckt – "Schembart" werden diese Masken genannt. Im Jahr 1449 genehmigt der Rat der Stadt Nürnberg den ersten Schembartlauf, erklärt der Kurator der Ausstellung "Fastnacht. Tanz und Spiele" im Germanischen Nationalmuseum, Dr. Johannes Pommeranz: "Der klassische Schembartläufer war immer recht sexy unterwegs, das Beinkleid immer sehr, sehr enganliegend, die Geschlechtsteile sehr gut ausgepolstert und sichtbar. Darüber hinaus hatte er vor allem eine Lanze, mit der er bewaffnet war, und einen Blattbusch, aus dem Feuerwerk herausschoss."
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Mit Feuer und Lanzen hielten die Schembartläufer die vielen Schaulustigen am Wegesrand in Schach. Dabei wurde sicher viel Unfug getrieben. Denn: So wie auch heute in der Fastnacht oder im Karneval floss auch bei den Schembartläufen Alkohol in Strömen, erklärt die zweite Kuratorin Anne Sowodniak. "Meistens hat man eine Trinkstube eingerichtet, wo man sich getroffen hat, quasi vorgeglüht hat für den ganzen Spaß und von da aus dann durch die Stadt gezogen ist."
Schembartbücher: Gut übermittelte Geschichte
Was die Schembartläufer in welchem Jahr trugen und in welcher Reihenfolge sie liefen – das war streng geregelt, die Kleidung der Mode des jeweiligen Jahres unterworfen. Nachlesen kann man all dies in den sogenannten Schembartbüchern. Von keinem zweiten Bürgerfest im deutschsprachigen Raum ist eine solche Text- und Bilderfülle erhalten. Mehr als 100 handschriftlich verfasste Schembartbücher gibt es noch. 30 davon besitzt das Germanische Nationalmuseum – und die werden nun erstmals gezeigt.
Flämmchenkostüm, Schembartläufer von 1460, aus einem Schembartbuch aus der 2. Hälfte 16. Jahrhunderts
In den Schembartbüchern sind auch prachtvoll geschmückte Motivwagen abgebildet, die sogenannten Höllen. Die zogen die Schembartläufer bei ihrem Zug durch die Stadt hinter sich her, erzählt Anne Sowodniak: "Höllen, Rachen, Kinderfresser, Jungbrunnen, solche Sachen, und die hat man dann am dritten Tag, also entweder Aschermittwoch oder den Tag davor als großen Höhepunkt auf dem Hauptmarkt verbrannt." Und weil sie alle verbrannt sind, ist keine einzige Hölle erhalten geblieben. Wie sie genau ausgesehen haben, können die Forscher deshalb nur vermuten.
Teure Fastnacht
Klar belegt ist aber: Wer beim Schembartlauf mitmachen wollte, musste viel Geld auf den Tisch legen. "Das war hochpreisig, mehrere Gulden, die dafür bezahlt werden mussten", sagt Kurator Johannes Pommeranz. "Und von daher konnten sich das auch nicht alle leisten, das zu bezahlen. Und die, die es sich am ehesten leisten konnten, das waren die Patrizier, die ja oft als Fernhandelskaufleute oder Ähnliches tätig waren, wo man wirklich ertragreich sich sein Geld verdienen konnte."
Nürnberg als zentraler Ausgangsort
Nürnberg war die Fastnachtshochburg im Mitteleuropa der frühen Neuzeit. Wer mal so richtig ausgiebig feiern wollte, kam in die Stadt an der Pegnitz: "Es gab Fastnachtsspiele, es gab Gesellenstechen für mehrere Tage in der Stadt. Es gab sogar Jahre, da wurden die Umzüge mehrfach aufgeführt, da war viel los."
Nach nicht einmal 100 Jahren war es vorbei mit dem großen Spaß. Die Reformation beendete die Tradition der Schembartläufe in Nürnberg. Der letzte Lauf fand 1539 statt. Geblieben ist nur eine Fülle an prächtigen und bunten Abbildungen, die ab heute im Germanischen Nationalmuseum gezeigt wird.
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